Das Echo der Flüsterer
längere Zeit mit ausgestreckten Armen zu halten, musste ihn jeder, der ihn benutzen wollte, nun selbst in die Hände nehmen und auf der Tischplatte aufstützen oder in den Schoß stellen.
Ximon sog zischend die Luft ein, als der Rahmen sein bandagiertes Bein streifte. Mit schmerzverzerrtem Lächeln versuchte er sein eigenes kleines Problem zu überspielen und konzentrierte sich auf den Verteidigungsminister.
Robert McNamara befand sich in einem Besprechungszimmer, das Ximon schon von früheren Beobachtungen her kannte. Mit ihm am Tisch saßen der CIA-Direktor John McCone, der ehemalige Außenminister Dean Acheson und eine Reihe anderer Männer, die zu Kennedys auserwähltem Kreis gehörten. Ximon vergeudete nicht viel Zeit, sondern begann sofort auf den Verteidigungsminister einzuflüstern.
McNamara hatte gerade noch einmal das Für und Wider seiner drei Optionen zusammengefasst, als er mitten in seiner Rede stockte. Die am Tisch Sitzenden sahen ihn verwundert an.
»Alles okay, Bob?«, fragte McCone.
McNamara blickte ihn einen Augenblick lang verunsichert an. Dann nickte er und lächelte entschuldigend. »Ja, ja. Ich hatte nur gerade eben so eine Idee. Ich habe mich gefragt, was geschehen könnte, wenn wir gar nicht alles über die Stellungen auf Kuba wissen.«
»Die neuesten Luftaufnahmen von der Insel beweisen ganz eindeutig, dass die Russen noch einiges verbergen. Ist das nicht Grund genug für einen chirurgischen Luftangriff?«
»Das meine ich nicht, John. Angenommen, irgendeine Raketenstellung der Russen wäre schon einsatzbereit. Ich rede von einer Abschusseinrichtung, die unsere U-2-Aufklärer noch nicht entdeckt haben. Was würde dann wohl bei einem Luftschlag von unserer Seite aus geschehen?«
»Vermutlich würden sie ihre Atomzigarren zünden.«
McNamara nickte bedeutungsschwer. »Wir sollten alles tun, um diese Möglichkeit auszuschließen. Die vereinigten Stabschefs haben mir versichert, dass wir das Problem durch einen chirurgischen Luftangriff allein sowieso nicht lösen können. Wir müssten zumindest auch alle wesentlichen Militäreinrichtungen der Kubaner zerstören, vielleicht sogar eine Invasion der Insel in Betracht ziehen. Wenn Sie mich fragen, meine Herren, ich denke mehr und mehr, dass eine Quarantäne, also eine weit reichende Blockade, die bessere Lösung wäre.«
»Dadurch würden sich allerdings nicht die Raketen in Luft auflösen, die schon auf Kuba sind«, warf Dean Acheson ein.
»Außerdem könnten die Russen sich versucht fühlen ihrerseits in Berlin die Schotten dichtzumachen«, setzte McCone hinzu.
»Wir werden aus dieser Sache kaum herauskommen, wenn wir darauf warten, bis niemand mehr Bedenken äußert«, beharrte McNamara, und während er in die Runde der Anwesenden blickte, fügte er ernst hinzu: »Mir ist es sogar lieber, wenn später überhaupt noch jemand da ist, der Kritik vorbringen kann.«
Die Anspannung der Anwesenden in Nabins Arbeitszimmer löste sich im unergründlich tiefen Blau des Spiegels auf. Ximon lehnte sich zufrieden zurück und sagte: »Sie zögern. Das ist gut! Je länger sie über die Konsequenzen ihres Handelns nachdenken, desto eher haben wir eine Chance sie von übereilten Aktionen abzuhalten.«
Im Laufe des weiteren Tages schien sich die Situation jedoch eher zuzuspitzen. Der amerikanische Justizminister, Robert Kennedy, traf sich mit Georgij Bolschakow, einem geheimen Unterhändler aus der sowjetischen Botschaft in Washington. Der Russe beteuerte den defensiven Charakter der sowjetischen Waffenlieferungen an Kuba. Das genaue Gegenteil davon verrieten jedoch die jüngsten U-2-Flüge über der Insel. Man hatte nicht nur weitere sowjetische Anlagen sowie mindestens sechzehn, möglicherweise sogar zweiunddreißig Mittelstreckenraketen gesichtet, sondern zu allem Übel auch noch im Bau befindliche Abschussvorrichtungen für SS-5-Raketen. Diese Flugkörper konnten zweitausendzweihundert Seemeilen weit fliegen! Ihre Einsatzbereitschaft wurde nicht vor Dezember erwartet – aber was hieß das schon, angesichts der Bedrohung weiterer Millionen von Amerikanern?
Eine Eskalation der Krise wurde immer wahrscheinlicher. Im
Kreise der azonischen Beobachter wurden Stimmen laut, man müsse nun mehr tun, als nur mit Keldins Spiegel hier und da einem Menschenkind ein schlechtes Gefühl in die Magengrube zu pflanzen.
»Aber was soll denn von unserer Seite aus noch geschehen?«, rief Numin und warf die Arme in die Luft.
»Das Problem besteht einfach darin,
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