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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Allmählich ging ihm dieser geschwätzige Kaktus gehörig auf die Nerven. Überdies machten das Klappern des Autos und die unerträgliche Hitze jedes Nachdenken so gut wie unmöglich. Er drehte den Kopf nach rechts und sah aus dem Fenster. »Ich bin unterwegs zu meinen Eltern«, brummte er.
    Als keine Antwort kam, sah er wieder zum Alten hin. Der hatte die Augen zusammengekniffen und musterte Jonas misstrauisch von der Seite her. »Und das soll ich dir glauben?«
    »Wollen Sie nicht lieber auf die Straße sehen?«
    »Die läuft mir nicht weg.«
    Die Landschaft flog an dem Pick-up vorbei und der Alte starrte Jonas weiterhin an.
    »Meine Eltern haben mich gerufen. Deshalb bin ich jetzt auf dem Weg zu ihnen. Das ist die Wahrheit!«
    Die dunklen Knopfaugen Mat Barwinkles hefteten sich wieder auf die Fahrbahn. Er kicherte und sagte mit seiner hellen knarrenden Stimme: »Kann mir ja auch egal sein. Besser, einer wie du macht sich auf, die Welt zu erkunden, als zu Hause vor dem Fernseher Wurzeln zu schlagen. In deinem Alter habe ich noch ganz andere Sachen angestellt! Wo willste eigentlich aussteigen, Junge?«
    »Werfen Sie mich raus, wo Sie wollen.«
    »Hm, aber unterwegs zu den Eltern, was?«
    Jonas blickte wütend in das grinsende Gesicht des Alten. »Die Richtung stimmt. Das reicht mir.«
    »Ich fahr aber nich’ auf den US 1, sondern über die Route 997 nach Norden. Kurz hinter Homestead ist Endstation.«
    »Ist mir recht.«
    »Ich wünschte, mehr Jungens wären so wie du.«
    Jonas blickte den Alten überrascht an.
    Mat Barwinkle lächelte, kurbelte nach erfolgreicher Durchquerung eines Schlagloches einen Moment heftig am Lenkrad und bemerkte dann: »Normalerweise sind die Bengels in deinem Alter alle zu satt. Wissen nich’, was sie mit sich anfangen sollen. Sitzen vor der Glotze und kaum dass sie sechzehn sind, veranstalten sie Autorennen auf den Ausfallstraßen.«
    Jonas sah verschwommen die Bäume an sich vorüberfliegen. Er dachte an seine Eltern, an Großvaters Worte: Die Toten erkennen überhaupt nichts mehr. Die Erinnerung an sie ist in der Vergessenheit versunken. Konnte etwas vergessen sein, was so lebendig in ihm war wie das Herz in seiner Brust? Hatte er nicht deshalb seinem inneren Rufen nachgegeben und war von zu Hause fortgelaufen? Leise sagte er: »Vielleicht müssten sie sich ein Ziel setzen.«
    »Oh ja! So wie Kennedy gefordert hat.« Barwinkle versuchte den New-England-Akzent des Präsidenten zu imitieren. ›»Wo ist dieses große Land von einst? Wo sind unser alter Unternehmungsgeist, die Treue und die Hingabe, die uns zur größten Nation dieses Planeten gemacht haben? Amerika muss sich wieder bewegen! Ich sage euch, noch in diesem Jahrzehnt wird ein Amerikaner seinen Fuß auf den Mond setzen.‹ Auf den Mond! So ‘n Quatsch!«
    Jonas hörte schon nicht mehr richtig zu. Während seine Gedanken abschweiften, schien die Stimme von Mat Barwinkle immer leiser zu werden. Er musste an seine Großeltern denken. Großmutter Rose würde vielleicht weinen. Und der General…? Im Moment machten wohl alle einen großen Bogen um ihn. Er war immer ungenießbar, wenn er sich um jemanden sorgte. Die niedrigen Straßenfronten von Florida City glitten ebenso unbemerkt an Jonas vorbei wie diejenigen von Homestead. Wieder musste er an Lydia denken. Warum hatte sie nie auf einen seiner Briefe geantwortet, selbst zu der Zeit nicht, als er ihren Wohnort noch kannte? Weshalb hatte sie sich kein einziges Mal gemeldet? Warum…?
    »Hier is’ Endstation, Junge.«
    Jonas schreckte regelrecht zusammen. Mat Barwinkles Stimme war wie ein Messer in sein Bewusstsein gefahren: plötzlich und schmerzhaft. Er blickte in das bärtige Gesicht zu seiner Linken, als sähe er es zum ersten Mal.
    »Alles okay, Junge?«
    »Ja, ja. Geht schon.« Das war übertrieben. Immer wenn Jonas an Lydia dachte, empfand er erneut den alten Schmerz. Er zwang sich zu einem schiefen Lächeln. Auf alle Fälle wollte er nicht so schnell klein beigeben. Zuerst würde er das Schicksal seiner Eltern klären und dann Lydia finden. Sein Entschluss stand fest.
    »Wennste wieder einen finden willst, der dich mitnimmt, dann am besten hier«, sagte Mat Barwinkle. »Ich muss weiter nach Orchid Jungle. Hab da was abzuliefern. Aber hier beim Flughafen kannste am ehesten jemanden auftun.«
    Jonas sah an dem Fahrer vorbei durch das Fenster und konnte auf der anderen Seite der Straße eine verrostete Wellblechhalle erkennen, vermutlich ein alter Flugzeughangar. Er

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