Das Echo der Flüsterer
Organisation Amerikanischer Staaten, kurz OAS genannt. Dieses Gremium sollte der beschlossenen Blockade ihren Segen geben, damit die Kritiker sie nicht als Alleingang der Vereinigten Staaten anprangern konnten. Außerdem waren Termine abzustimmen: Die verbündeten Länder mussten unterrichtet, die in Washington akkreditierten Botschafter in Kenntnis gesetzt werden… Plötzlich klingelte das Telefon.
»Ja?« Bundy schaltete schnell den Lautsprecher zum Mithören an.
»… der New York Times.«
»James Reston von der Times!«, wiederholte Bundy, nur damit sein Gesprächspartner auch den Namen des Mannes am anderen Ende der Leitung mitbekam.
»Grüßen Sie alle, die mithören, Mr. Bundy«, sagte die Stimme des Reporters.
»Mache ich, James. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte gerne gewusst, was da bei Ihnen in Washington los ist, Mr. Bundy.«
Bundy und Ball tauschten viel sagende Blicke. »Helfen Sie mir auf die Sprünge, James. Sprechen Sie davon, dass Jacky am letzten Dienstag den Empfang für den Maharadscha von Jaipur und dessen Frau abgesagt hat? Nun, die Sache ist eigentlich ganz einfach…«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Sir, aber ich spreche von etwas anderem. In Washington ist während der letzten Tage ziemlich viel los gewesen. Der Grund für diese plötzliche Geschäftigkeit interessiert mich brennend.«
»Wollen Sie damit etwa sagen, die Geschichte mit dem Maharadscha sei keine Story für Sie, James?«
»Für den Klatsch ist bei uns ein anderer Redakteur zuständig, Mr. Bundy.«
»Bleiben Sie bitte einen Augenblick dran, James.«
Bundy drückte einen Knopf an seinem Telefon, noch bevor sein Gesprächspartner etwas sagen konnte.
»Jetzt sitzen wir in… na, Sie wissen schon.«
»Kennen sie Reston gut?«, fragte George Ball.
»Er gehört zu den Journalisten, deren Fragen immer etwas mehr wehtun als die der Kollegen.«
»Dann blufft er also wahrscheinlich nicht?«
Bundy schüttelte den Kopf. »Hat leider nicht viel genutzt, dass die fähigsten Köpfe der Nation sich am Donnerstagabend in ein einziges Auto gequetscht haben. Wenn wir Reston keine plausible Erklärung liefern, wird er schreiben, was er vermutet. Die New York Times hat auch schon vor dem Schweinebucht-Dilemma über unsere Invasionspläne berichtet. Ich möchte nicht, dass noch einmal so etwas passiert.«
»Meinen Sie, er könnte bis Montagabend stillhalten?« Bundy nickte. »Bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als es auszuprobieren.« Er hieb auf die Taste am Telefon. »James, sind Sie noch da?«
»So schnell werden Sie mich nicht los, Mr. Bundy.«
»Wenn ich Ihnen von einer Angelegenheit berichte, die in hohem Maße die nationale Sicherheit tangiert, können Sie dann ein bis zwei Tage darüber Stillschweigen bewahren?«
»Wenn ich der Erste bin, der dann die Story rausbringt!«
»Sie können die komplette Titelgeschichte im Satz haben, während die anderen sich noch die Finger wund telefonieren.« Einen Augenblick lang gab es nur ein leises Rauschen in der Leitung. »Okay, Mr. Bundy, das Geschäft geht in Ordnung.«
McGeorge Bundy gab dem Zeitungsreporter eine Zusammenfassung der Situation in Kuba. Jonas konnte sich lebhaft vorstellen, wie James Restons Bleistift am anderen Ende der Leitung über den Block flog. Als Bundy alles gesagt hatte, was er glaubte sagen zu dürfen, verpflichtete er Reston noch einmal zu absolutem Stillschweigen bis nach der Fernsehansprache des Präsidenten. Der Journalist wusste, dass er sich diese Quelle erhalten musste, und wiederholte sein Versprechen.
Mit Ximons Hilfe gelang es einige Zeit später, einen hohen Beamten des Special National Intelligence Estimate in den Spie gel zu rufen. Das Büro hatte gerade einen Bericht fertig gestellt, der die jüngsten Ermittlungsergebnisse des Geheimdienstes zur kubanischen Militäraufrüstung zusammenfasste. Der Mann las an diesem Samstag gerade noch einmal die Auswertung seiner Untergebenen durch. Die Vereinigten Staaten wussten nun von sechzehn SS-4-Abschussrampen. Die sowjetischen Mittelstreckenraketen konnten, wie der Bericht ausführte, innerhalb von acht Stunden nach Erteilung des Einsatzbefehls abgeschossen werden. Außerdem zählte die Studie unter dem Titel SNIE 11-19-62 noch weit über hundert Flugzeuge verschiedenen Typs sowie Abschusseinrichtungen für Marschflugkörper auf, zwölf davon befanden sich auf Komar-Patrouillenbooten. Der Geheimdienst berichtete auch von der Entdeckung eines Bunkers für nukleare
Weitere Kostenlose Bücher