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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Kritiker der Blockade hatten reklamiert, dass durch ihre Einrichtung die vorhandenen Raketen nicht beseitigt werden konnten. Wenn dieses Ziel aber durch einen massiven Überraschungsangriff auch nicht gänzlich zu erreichen war, dann wollte der Präsident auf jeden Fall der weniger aggressiven Option den Vorzug geben.
    Auf Azon atmeten einige stille Beobachter so hörbar auf, dass man im Oval Office glaubte, eine Windbö rüttele an den Fenstern.
    Der Marsch durch das Höhlenlabyrinth konnte nun mit etwas mehr Zuversicht fortgesetzt werden. Darina führte die Gefährten auf einen gleichmäßig ansteigenden Pfad, ließ links und rechts diverse Gänge liegen und verkündete schließlich: »Da vorne ist die große Höhle der Flüsterer.«
    Man kann sich vorstellen, welcher Jubel nun ausbrach. Selbst der sonst so zurückhaltende Mangaar stieß einen Schrei aus, der in der immer noch ein gutes Stück entfernten Höhle die Köpfe etlicher Flüsterer erschreckt hochfahren ließ. Wohl auch auf der Erde gab es hier und da Menschen, die sich mit der Hand gegen den Kopf stießen, weil sie glaubten, irgendwelche merkwürdigen Geräusche zu hören.
    Naturgemäß packte die Aufregung am heftigsten die Bonkas. Aber auch Numin war außer sich, sollte er doch seine neue Wahlheimat gleich über seinen Wunscharbeitsplatz betreten. Kraark flatterte ein wenig mit seinen Schwingen, blieb aber geduldig auf Trojans Nacken sitzen. Der Tunnelausgang rückte immer näher und damit auch das Licht aus den zahllosen Facetten der Flüsterer.
    Als Darina, Lischka und Ximon in den großen Höhlensaal traten, fiel die Reaktion der Flüsterer merkwürdig aus. Jedenfalls wäre es einem unbeteiligten Beobachter so erschienen. Die Ankömmlinge wurden sogleich erkannt und ein »Freudenrauschen« erhob sich in dem Felsendom. Eine der wichtigsten Ordensregeln besagte ja, dass ein Flüsterer nie, aber auch niemals vor einer Facette laut reden oder gar jubilieren durfte. Also jauchzten die kleinen Männer und Frauen im Stillen. Nun, nicht völlig ohne jeden Laut, das war selbst den Bonkas nicht möglich. Aber ihr Frohlocken äußerte sich bestenfalls in einem an- und abschwellenden Zischen: Viele sogen, freudig erregt, heftig die Luft ein und hielten dann den Atem an, bis ihre Lungen den eingesperrten Sauerstoff wieder entkommen ließen. Zahllose Hände winkten den Rückkehrern zu und nicht wenige Tränen rollten über gerötete Wangen.
    Einige der »Kollegen« von Lischka und Ximon eilten herbei und führten mit den beiden Flüsterern einen seltsamen Tanz auf. Sie umarmten sie, hoben sie hoch (was besonders bei Lischka nur schwer möglich war), küssten und drückten sie. Leise einigte man sich darauf, die weitere Begrüßung außerhalb der Höhle fortzusetzen.
    Als sie endlich genügend Abstand zwischen sich und die Höhle der Flüsterer gebracht hatten, entlud sich die Freude nun auch in hörbaren, lauten Jubelrufen. Die Umarmungen wurden wiederholt, nun bereichert durch geräuschvolles Schulterklopfen. Auch Jonas, seine Eltern und Sam Chalk wurden davon nicht ausgeschlossen.
    Als die Flüsterer erste Anzeichen von Ermüdung zeigten, mahnte Darina: »Wir müssen so schnell wie möglich den Kristallrat einberufen. Könnt ihr jemanden vorausschicken, der unsere Ankunft in der Farbenstadt ankündigt und den Ältestenrat zusammenruft?«
    »Schon erledigt«, sagte ein wohlbeleibter Flüsterer mit rotbraunem Haar. »Ich habe gleich Limmi losgeschickt, einen von unseren jüngeren Brüdern. Limmi hat sehr flinke Beine!«
    Darina bedankte sich und Lischka versprach schon bald zurückzukehren und ausführlich die Zwieland-Geschichte zu erzählen.
    Die Freude über die wohlbehaltene Rückkehr ins Land der Bonkas ließ die Gefährten einige Zeit lang all ihre Sorgen vergessen. In Begleitung zahlreicher Flüsterer legten sie den kurzen Weg zum Ausgang der Höhle zurück. Jonas atmete befreit auf, als er endlich wieder den blauen Himmel Azons über sich sah.
    »Bitte entschuldige mich!«, meinte Kraark spontan und schon hatte er sich in die Luft erhoben.
    »Wo willst du denn hin?«, rief Jonas zu ihm hinauf.
    Der Rabe zog eine Schleife um den Kopf seines Freundes. »Ich brauche keine Facette, um nach Laomar zu finden. Wozu habe ich denn Flügel? Bis bald, Jonas.« Dann rauschte er davon wie ein schwarz gefiederter Wirbelwind.
    Der Junge hatte Verständnis für den Überschwang des Raben. Kraark war nun wirklich keine Fledermaus, die sich in Höhlen herumdrückte. Er war

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