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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nachmittags versammelte sich das Exekutivkomitee erneut. Als General Maxwell Taylor dem Präsidenten den Abschuss von Major Andersons U-2 bestätigte, schloss Jack nun nicht mehr aus, dass bei einem weiteren Angriff auf amerikanische Aufklärer ein Bombardement der SAM-Stellungen notwendig werden könnte. Jonas begann in diesem Augenblick auf der Unterlippe herumzuknabbern. Offenbar wusste der Präsident noch gar nichts von der letzten Schießerei über Kuba.
    Routinemäßig beschäftigte sich das ExComm dann mit Chruschtschows Briefen. Das Außenministerium hatte eine Antwort auf das zweite Verhandlungsangebot des sowjetischen Ministerpräsidenten vorbereitet, doch weder der Inhalt noch der Ton sagte dem Präsidenten zu. Unvermittelt meldete sich Bobby zu Wort. Er schlug vor, das zweite Schreiben Chruschtschows einfach zu ignorieren und stattdessen nur auf das erste einzugehen, in dem der Kremlchef sich erheblich entgegenkommender gezeigt hatte. Ted Sorensen unterstützte den Vorschlag Bobbys. Das Flüstern hatte sich ausgezahlt.
    Während die Berater nun an einer geeigneten Antwort feilten, überprüfte Lischka ständig den Fortgang der Bemühungen auf sowjetischer Seite. In Chruschtschows Wochenendhaus rauchten die Köpfe. Hier war man überzeugt, dass die Amerikaner über kurz oder lang zuschlagen würden.
    Um Viertel nach vier gelang Lischka ein Treffer. Der Journalist John Scali und der Washingtoner KGB-Chef Fomin saßen wieder beisammen. Außenminister Rusk hatte Scali gebeten das Treffen zu arrangieren. Der Ton des ABC-Korrespondenten war um einiges forscher als am Tag zuvor.
    »Warum haben Sie Ihr Angebot vom 26. aufgegeben und die Jupiters in den Handel einbezogen?«
    Fomin befand sich in einer Zwangslage. Es gelang ihm nicht ganz, das zu verbergen. »Der Grund dafür liegt in der armseligen Kommunikation zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml. Als wir den ersten Brief verfassten, waren wir noch nicht im Besitz aller Fakten.«
    »Und das soll ich Ihnen abnehmen?«, schrie Scali. »Ihre Erklärung ist absolut unglaubwürdig, Fomin. Nein, ich will Ihnen sagen, was sie ist: ein falsches Spiel, das zum Himmel stinkt! Denken Sie nicht, Sie könnten uns täuschen oder gar unsere Pläne durchkreuzen. Die Invasion Kubas ist jetzt nur noch eine Angelegenheit von Stunden.«
    Der KGB-Chef war blass geworden. »Ich bitte Sie, Mr. Scali, beruhigen Sie sich doch. Ich kann Ihnen versichern, Botschafter Dobrynin und ich erwarten jeden Moment eine Nachricht des Ministerpräsidenten Chruschtschow. Bitte berichten Sie Ihren Freunden im Außenministerium unbedingt, dass kein Täuschungsmanöver vorliegt.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Ihren Versicherungen Glauben schenken wird, aber wie auch immer, ich werde Ihre Mitteilung weitergeben.«
    Die beiden Männer trennten sich ohne große Herzlichkeit. Robert übernahm den Spiegel, um einen Blick ins Exekutivkomitee zu werfen. Nicht allzu lange später traf hier ein Memorandum Scalis ein, in dem er von dem Gespräch mit Fomin berichtete.
    Der Präsident hatte Robert Kennedy und Theodore Sorensen in einen Nebenraum geschickt, damit sie in Ruhe ein Antwortschreiben an Chruschtschow verfassen konnten. Als sie nach einer Dreiviertelstunde zurückkehrten, wurden die Formulierungen vom Präsidenten und der ganzen Gruppe noch einmal geprüft. Jack veränderte und verbesserte nur wenig.
    Der Brief drückte die Erleichterung über die Zugeständnisse Chruschtschows vom 26. Oktober in sehr verhaltener Form aus. Die signalisierte Bereitschaft zur Lösung der anstehenden Probleme sei begrüßenswert, hieß es. Doch zuerst müsse die Bedrohung durch die Raketen beseitigt werden. Hierzu habe der Präsident Vorkehrungen getroffen, damit in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Übereinkunft erzielt werden könne. Kennedy brachte in dem Antwortschreiben seine Zuversicht zum Ausdruck die Vereinbarungen »der Weltöffentlichkeit innerhalb von zwei Tagen bekannt zu geben«.
    Der ständige Wechsel zwischen Hoffnung und Enttäuschung hatte Jonas zermürbt. Er atmete nur sehr verhalten auf.
    Immerhin schienen sich die Dinge in die richtige Richtung zu entwickeln.
    Nach der Sitzung des Exekutivkomitees versammelten sich Jack und Bobby Kennedy, McNamara, Bundy, Rusk, Llewellyn Thompson und Theodore Sorensen im Oval Office. Der Präsident nannte seine Bedenken. Hatten sie wirklich alles getan, um eine Katastrophe zu verhindern? Zu Jonas’ Überraschung

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