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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ihren Worten tiefste Verzweiflung.
    »Azon«, hauchte sie. Ihre Finger verkrampften sich um Jonas’ Hand. »Mein Bruder! Die Malkits haben uns die Erde gestohlen. Der blaue Kristall… Er ist verschüttet. Azon ist verloren!«

 
    DIE EXPEDITION DER VERZWEIFELTEN
     
     
     
    »Azon wird erlöschen wie eine Kerzenflamme ohne Luft.«
    Für eine Weile lastete die Stille so schwer im Raum, dass Jonas sogar glaubte sie greifen zu können. Darina stand im Kristallsaal, um sie herum eine Schar müder und verängstigter Gestalten, deren Gesichter grau wie Stein waren.
    »Erklär uns das genauer, Kindchen. Nicht alle hier verstehen, was du meinst«, bat Syrda.
    »Das ist leicht getan«, sagte Darina. Sie trug jetzt ein langes lavendelfarbenes Gewand und wirkte völlig gefasst. Jedoch die stille Heiterkeit, die Darina bei aller Würde stets wie eine Aura umgeben hatte, war völlig verschwunden. »Azon ist ein Geschöpf des Lebens, das über dem blauen Kristall pulsiert. Unsere Welt ist eine Projektion des blauen Planeten, den die Menschenkinder Erde nennen. Das heißt nun nicht, dass wir nur eine Illusion wären. Wie sonst könnten Wanderer von der Erde zu uns kommen? Es liegt eben einfach in der Natur unseres großen blauen Kristalls, dass er nicht nur ein Abbild aus Licht erschaffen kann, sondern auch eines aus Fleisch und Blut, aus Pflanzen und Tieren, aus Stein und Sand und Wasser und allem anderen, was eine funktionierende Welt ausmacht.«
    »Aber«, Jonas’ Vater rieb sich nachdenklich das Kinn, »würde dieses Abbild nicht einfach so bleiben, wie es ist, wenn es keine neuen – wie soll ich sagen? – Impulse mehr von der Erde empfängt?«
    Darina schüttelte ernst den Kopf. »Allein das wäre schon furchtbar genug. Aber unsere Welt und die eure haben seit jeher in einer beständigen, fruchtbaren Wechselbeziehung gestanden. Das Kleine Volk und die Menschenkinder sind wie siamesische Zwillinge, sie sind miteinander verwachsen. Wir konnten nur entstehen, weil es euch Menschen gab. Und ihr? Euer Denken, eure Kultur, euer ganzes Sein ist erst durch die Flüsterer aufgeblüht.«
    »Es waren nicht immer schöne Blüten«, bemerkte Robert nickend.
    »Nein, allerdings nicht. Seit das Kleine Volk untereinander entzweit ist, haben die Malkits immer wieder viel von dem zerstört, was die Bonkas den Menschenkindern schenkten. Doch nun haben sie Azon von der Erde abgeschnitten. Unsere Welt wird schnell an Farbe verlieren. Sie wird einfach verblassen, bis sie nicht mehr existiert.«
    »Und dann werden die Menschen keine Geistesblitze mehr haben«, sagte Robert mit grimmiger Stimme. »Das haben die Malkits geschickt angestellt: Erst streuen sie den Samen der Engstirnigkeit und Zwietracht über der Erde aus und dann schütten sie den Kristall zu, damit die Bonkas den Schaden nicht mehr gut machen können. Ich fürchte, selbst wenn die Menschheit niemals bemerken sollte, dass es die Flüsterer nicht mehr gibt, wird sie an den Folgen doch schwer zu tragen haben: Menschen, deren Aufgeschlossenheit am eigenen Hemdkragen endet und deren Weltbild in einem engen Rahmen steckt, tragen den Samen der Malkits noch in sich. Die haben ja schließlich lange genug solche Betonköpfe gesammelt, jeden engstirnigen, dekadenten Besserwisser, den sie finden konnten, alle diejenigen, die bereit waren die Wahrheit und jegliches Gut den eigenen Interessen zu opfern…«
    »Bob«, unterbrach Sarah ihren erregten Mann, damit er sich nicht noch mehr in seinen Zorn hineinsteigern konnte, »lass uns lieber darüber sprechen, was wir tun können. Vielleicht ist ja noch nicht alles verloren.«
    »Ich wusste schon immer, dass die Frauen die besseren Männer sind«, knarzte Syrda. »Sarah hat Recht. Wir dürfen den Hund nicht begraben, solange er noch beißen kann.«
    »Nach wem sollten wir denn schnappen?«, fragte Bergalf skeptisch.
    Der Oberälteste Belkan nickte betrübt. »Mir will auch nicht einleuchten, wie wir den Kristall wieder frei machen können, sollte er von Schlamm bedeckt sein, wie Darina sagt.«
    »Azon kann sich selbst reinigen, wir müssten dabei nur etwas nachhelfen«, beharrte Syrda.
    Belkan schüttelte den Kopf. »Wir alle wissen, dass der blaue Kristall die normalen Ablagerungen am Meeresgrund allein auflösen kann. Aber Darina hat uns schon vor drei oder vier Wochen erklärt, dass der Stein für eine dicke Schmutzschicht zu viel Zeit benötigen würde und eine Schieflage noch verheerender wäre. Selbst wenn unsere Welt nicht innerhalb von

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