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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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noch einmal darüber sprechen, wenn das hier alles vorbei ist.«
    »Abgemacht. Ich erinnere dich daran.«
    Endlich waren auch die letzten Vorbereitungen abgeschlossen. Alle saßen auf ihren Reittieren, Darina natürlich auf dem weißen Hirsch.
    Der Abschied fiel verhalten aus, kein Vergleich zu ihrem Aufbruch ins Zwieland vor knapp vier Wochen.
    »Ich will dich bald wieder sehen, Kindchen«, verlangte Syrda streng. In ihrem Augenwinkel funkelte eine einzelne Träne.
    »Wenn Kanthelm mich lässt, dann bin ich in spätestens vier Tagen wieder zurück.«
    »Dass ihr Jungen immer Versprechungen machen müsst, die ihr nicht halten könnt. Komm meinetwegen in einer Woche, aber komm. In das Schneckenhäuschen gehört ein neues, frisches Lachen. Meines klingt schon so ausgeleiert.«
    Zum ersten Mal seit der Erschütterung Azons lächelte Darina, wenn es auch nur ein trauriges und sehr kurzes Lächeln war. Sie streichelte über Syrdas zerfurchte Wange und wandte sich dann Lischka und Ximon zu, die ebenfalls zum Abschiednehmen gekommen waren.
    »Wenn es uns gelingt, Azons Wunde zu heilen, dann helft den Menschen ihre Dummheit endgültig wieder gutzumachen. Verliert keine Zeit. Keldins Spiegel wird sich zuerst öffnen und dann werden es die Facetten in der Höhle der Flüsterer – zumindest einige, hoffe ich.«
    »Woher wissen wir, ob ihr euer Ziel erreicht habt?«
    »Ihr werdet dasselbe erleben wie gestern früh bei der Katastrophe.«
    Nachdem sich alle voneinander verabschiedet hatten, setzte sich die Karawane in Bewegung. Vom Kleinen Volk waren nur Darina, Numin und Bergalf dabei, außerdem die vier Menschen und ein verstimmter Rabe.
    »Ich wünschte, wir könnten einfach unter dem Gebirge hindurchfliegen«, sagte Kraark nach dem Facettensprung, der sie dicht an die Höhle der Flüsterer gebracht hatte.
    »Irgendwann einmal hat mir ein Rabe erzählt, dies ginge nicht. Es hat wohl was mit dem Hängenden Gebirge zu tun. Es teilt Azon in zwei… nein, in drei Teile.«
    »Du solltest unbedingt auf deine Gesellschaft achten, Jonas.«
    Als die Schelpins und der Hirsch das Eingangstor zur Höhle durchschritten, wurde Kraark sehr still.
    Wenig später erreichten sie die große Höhle der Flüsterer. Jonas kämpfte gegen ein Schaudern an. Der riesige Raum war so gut wie leer. Nur ganz wenige Flüsterer saßen vor schwach glimmenden Facetten, in denen undeutliche Schemen zu sehen waren. Erst jetzt begriff Jonas das ganze Ausmaß der Katastrophe. Azon war wirklich abgeschnitten.
    In der Haupthöhle verabschiedeten sich Lischka, Ximon und Quitu. Sie hatten die Freunde noch bis hierher begleitet. Von nun an waren die Gefährten auf sich allein gestellt.
    Darina lenkte ihren Hirsch geradewegs in den dunklen Tunnel, der zum Vorhang der ewigen Trennung führte.
    Jonas tauchte wieder in die stille Dunkelheit des Höhlenlabyrinths. Die Fackeln der Bonkas verbreiteten ein grünliches Licht. Bald wusste er nicht mehr zu sagen, wie lange sie schon durch die Finsternis zogen. Jedes Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen. Ab und an mussten sie von ihren Tieren steigen, wenn sie wieder eine Stelle erreicht hatten, wo der Schacht zum Teil eingestürzt war. Doch schließlich tauchte der gefrorene Regenschauer vor ihnen auf, der glitzernde Kimbaroth.
    »Jetzt bist du an der Reihe«, sagte Darina zu Jonas und deutete auf den im Fackelschein schillernden Vorhang.
    Jonas stieg vom Schelpin, schnallte den Schlafsack ab und klemmte ihn sich unter den Arm. Dann zog er seinen Kristalldolch aus der dunklen Scheide und machte sich an die Arbeit.
    Der Anfang war leicht. Hier gab es ja noch die Vorhangfäden, deren Bodenösen schon durchtrennt waren. Jonas musste die durchscheinenden Schnüre nur mit dem Dolch berühren und schon wurden sie so elastisch, dass er sie ohne Schwierigkeiten zur Seite biegen konnte. Dann zog er sein Kristallstilett zurück und die Stränge erstarrten zu festen Drähten.
    Bald erreichte er die Abzweigung ins Zwieland, die er nun rechts liegen ließ. Jetzt begann wieder die mühsame und zeitraubende Arbeit auf dem Höhlenboden. Er breitete seinen Schlafsack aus, damit er nicht auf dem kalten Fels liegen musste, und widmete sich der ersten unversehrten Öse. Er hatte noch Übung.
    Die Stunden verstrichen. Faden für Faden arbeitete Jonas sich voran. Regelmäßig wurde er von Bergalf abgelöst, der sich ja ebenfalls mit dieser ungewöhnlichen Beschäftigung auskannte. Endlich, es musste inzwischen schon weit nach Mittag sein, war der

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