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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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während der Potsdamer Konferenz beide zu Trumans Team. Mich hatte man als Strategieexperten hinzugezogen – ich stand damals noch im Sold der Army –, dein Vater dagegen war eigentlich nur als Berichterstatter eingeladen. Das änderte sich allerdings schnell. Er hatte eine ganz außergewöhnliche Art auf die Menschen zuzugehen. Selbst wenn er ihnen nur Fragen stellte, hinterließ er schon einen positiven Eindruck. Bald schien er in Stalins Verhandlungsmannschaft mehr Vertrauen zu genießen als jeder andere von uns. Ich bin sicher, wenn Bob heute noch lebte, dann müssten wir jetzt nicht auf die Bermudas fliegen und unseren britischen Kollegen abholen. Bedauerlicher Fall, das Ganze. Als ich damals von dem Verschwinden der Maschine hörte, in der dein Vater saß, war ich sehr betroffen.« Ein Anflug von Schwermut zog über Dr. Goulds Gesicht. Doch er war zu sehr Diplomat, um sich von diesem Gefühl übermannen zu lassen. Schnell kehrte das alte Lächeln zurück und er versicherte: »Nun, das Bermudadreieck ist nicht so gefräßig, wie manche Leute uns glauben machen wollen. Sorge dich nicht zu sehr, Jonas. Du wirst wieder nach Hause kommen. Und zwar in einem Stück.«
     
     
    In den folgenden drei Stunden ereignete sich wenig. Der Pilot erwies sich als gar nicht so gefährlich, wie es anfangs den Anschein gehabt hatte. Als erst einmal feststand, dass Jonas kein russischer Spion, sondern der Enkel eines hochdekorierten amerikanischen Generals war, durfte er sich sogar auf den Sessel des Kopiloten setzen. Während Gould und Holloway über ihren Dokumenten brüteten und leise miteinander sprachen, hörte Jonas den Geschichten von Sam Chalk zu.
    Eigentlich hieß der dunkelhaarige Mann Samuel Arthur Chalk. Den zweiten Vornamen hatte er von seinem Vater.
    »Allerdings nennen ihn alle nur ›Pappy Chalk‹«, plauderte Sam jetzt völlig ungezwungen. »Mir liegt die Fliegerei genauso im Blut wie ihm. Mein alter Herr hat das Fliegen in Kentucky gelernt, im Jahre des Herrn 1911. Sein Flugdienst, den er 1919 in Miami begründete, ist einer der ältesten im ganzen Land.«
    Sams Worte sprudelten wie ein Wasserfall hervor. Wenn alles stimmte, was der Captain erzählte (Jonas hatte da so seine Zweifel), dann konnte er so gut wie alles fliegen, was Flügel hatte.
    »Ist ‘ne zuverlässige Maschine, die Grumman G-21 Goose«, vertraute er seinem jungen Kopiloten an. »Bei Chalk’s Flying Service fliegen wir damit Urlauber von Miami zu den Bahamas rüber. Die Goose wurde ursprünglich als Zivilflugzeug entwickelt, aber sie hat sich auch im Krieg bewährt. Die hier haben wir Wild Goose getauft, ›Wildgans‹. Der Name passt doch, findest du nicht auch?«
    Jonas nickte abwesend. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. All die verschiedenen Zufälle des Tages gingen ihm durch den Sinn: das plötzliche Wiedersehen mit Old Big Shadow; die Begegnung mit Mat Barwinkle (Großvater und er waren beide Reptilienkenner und wahrscheinlich sogar miteinander befreundet), das Zusammentreffen mit Dr. Gould, der sogar Vater gekannt hatte, und nicht zuletzt dieses seltsame Flugzeug, das genau dorthin flog, wo einst Jonas’ Eltern verloren gegangen waren. Es schien fast, als sei er einem Ruf gefolgt, der ihn mit sorgfältig ausgewählten Begleitern an einen vorbestimmten Ort führen sollte…
    Eine hastige Bewegung Sams holte Jonas aus seiner Versunkenheit zurück. Der Pilot hatte die Sonnenbrille von den Augen gerissen und spähte nun angestrengt durch die Scheibe des Cockpits.
    »Was ist denn?«, fragte Jonas.
    »Weiß nicht. Dachte, ich hätte was gesehen.«
    Jonas blickte nun ebenfalls durch die Frontscheibe. Er bemerkte sofort, was Sam gemeint hatte. In Flugrichtung, noch etliche Meilen voraus, schien etwas Dunkles auf dem Wasser zu schwimmen. »Vielleicht ein Wal«, murmelte Jonas, aber er fühlte, dass es etwas anderes war.
    »Jetzt kann ich’s auch wieder sehen. Nein. Das ist kein Wal. Es sei denn, das Tier ist vier, fünf oder sogar sechs Meilen lang.«
    Jonas schenkte dem Piloten einen nachdenklichen Blick, dann wandte er sich erneut dem länglichen dunklen Fleck auf dem Wasser zu. Die Wild Goose näherte sich der seltsamen Erscheinung mit über einhundertsiebzig Meilen pro Stunde. Es dauerte deshalb nicht lange, bis Jonas deutlicher erkennen konnte, was da vor ihnen lag.
    »Wahnsinn!«
    Sam Chalk stimmte ihm mit einem Nicken zu und rief nach hinten: »Dr. Gould, Mister Holloway, kommen Sie doch bitte mal nach vorne.«
    Die Stimme des

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