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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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selten sein Büro verließ: Er war blass, nur gut fünfeinhalb Fuß groß, schmächtig und trug eine Brille mit dickem, schwarzem Gestell. Obwohl er noch nicht sehr alt sein konnte, befand sich sein rotes Haar oberhalb der Stirn schon auf dem Rückzug – mit vierzig würde er vermutlich eine Glatze haben. Der zwar überraschte, aber dennoch ziemlich grimmig wirkende Gesichtsausdruck von Frank Holloway veranlasste Jonas durch ein umfassendes Geständnis gleich von Anfang auf mildernde Umstände hinzuarbeiten.
    »Mein Name ist Jonas McKenelley. Ich kann alles erklären, Sir.«
    In diesem Moment tauchte der kurz geschorene Kopf von Dr. Gould hinter Franks Schulter auf. Der Leiter der Geheimmission sah alles andere als erbaut aus, als er den Jungen sah. Vielleicht war es das Alter des blinden Passagiers, das ihn nicht sogleich seine Dienstwaffe ziehen ließ (die Idee, dass der Diplomat unbewaffnet sein könnte, kam Jonas gar nicht erst). Stattdessen fragte Gould nur: »Wer ist das denn?«
    »Er sagt, er heiße Jonas McKenelley«, antwortete Frank Holloway.
    Dr. Gould runzelte nachdenklich die Stirn. Seine Stimme klang streng, aber erstaunlich beherrscht, als er Frank zur Seite schob und sich direkt an Jonas wandte. »Für einen Spion bist du ziemlich jung.«
    »Ich… ich bin kein Spion«, stotterte Jonas aufgeregt. »Ich wollte gar nicht mitfliegen, ich…«
    »Heißt du wirklich Jonas McKenelley?«, unterbrach ihn Dr. Gould.
    Jonas nickte.
    »Bist du rein zufällig mit einem Thomas Frederik McKenelley verwandt?«
    Jonas nickte abermals.
    »Dem General, der ‘54 von McCarthy vor dem Senatsausschuss…?«
    »Tom McKenelley ist mein Großvater«, fiel Jonas dem ernst dreinblickenden Diplomaten ins Wort. Er hatte endlich seine Stimme wieder gefunden, weil ihm dieser Dr. Gould gar nicht so unfreundlich erschien, wie es die Situation wohl gerechtfertigt hätte.
    Zunächst jedoch zeigten alle Anzeichen auf Sturm. Durch die offen stehende Tür der Pilotenkanzel ertönte unvermittelt eine laute Stimme.
    »Was ist eigentlich dahinten los?«
    »Hier gibt es einen blinden Passagier«, rief Frank über die Schulter, ohne Jonas auch nur einen einzigen Moment aus den Augen zu lassen. Er musste hierzu umständlich an Dr. Gould vorbeischielen, weil sein Vorgesetzter mindestens einen Kopf größer war als er.
    »Was…? Da stecken bestimmt die Russen dahinter!«
    »Er ist höchstens sechzehn Jahre alt«, fügte Frank hinzu.
    »Die werden auch immer raffinierter, diese roten Teufel! Gut, dass Sie ihn noch rechtzeitig entdeckt haben. Ich kann das Steuer nicht allein lassen, sonst würde ich mich selbst um den Kerl kümmern.«
    Jonas war sich ziemlich sicher, dass nun sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Die Männer hielten ihn für einen Spion, und wie man mit solchen verfuhr, war ja hinlänglich bekannt. Der Pilot wollte sich sogar persönlich »um ihn kümmern«. Bestimmt war das irgendein militärischer Fachausdruck für »aus dem Fenster werfen«, »erwürgen« oder etwas in der Art.
    »Lassen Sie es mal gut sein, Sam!«, rief Dr. Gould nach vorne. »Ich denke, wir kommen auch so zurecht.«
    Die Stimme des Diplomaten klang amüsiert, und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Jonas atmete innerlich auf, machte schon wieder erste Zukunftspläne.
    »Lassen Sie mich einfach irgendwo raus. Ich werde niemandem etwas erzählen.«
    Der hoch gewachsene Doktor setzte jetzt seine dickrandige Brille auf, damit er Jonas genauer in Augenschein nehmen konnte, beugte sich vor und stützte dabei die Hände auf die Knie. »Weißt du, dass du uns in große Schwierigkeiten bringst, Jonas?«
    Der Gefragte schwieg. Was hätte er auch sagen sollen?
    »Wir können dich nicht so einfach irgendwo absetzen«, fügte Dr. Gould mit einem freundlichen Lächeln hinzu. »Zum einen deshalb nicht, weil wir uns über dem offenen Meer befinden – amerikanische Regierungsbeamte sind keine Killer –, andererseits könntest du tatsächlich etwas über unsere geheime Mission ausplaudern, ganz aus Versehen, versteht sich. Du dürftest so einiges von dem Gespräch zwischen Frank und mir mitbekommen haben, stimmt’s?«
    »Fast gar nichts«, untertrieb Jonas.
    »Und warum hast du dann vorhin versprochen nichts weiterzuerzählen?«
    Jonas biss sich auf die Unterlippe. Besser, er sagte nichts mehr. Dieser Dr. Gould war ziemlich gerissen.
    »Nun komm erst einmal da raus.« Dr. Gould streckte Jonas die Hand entgegen und half ihm aus seiner etwas unbequemen Position

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