Das Echo der Flüsterer
hörte seine eigene Stimme nicht.
Für einen winzigen Augenblick kehrte sein Verstand zu ihm zurück. Seltsam klar sah er das unendlich vielgestaltige blaue Funkeln auf sich zustürzen. Dann raste es durch ihn hindurch. Er hatte das Gefühl mit dem Licht zu verschmelzen, selbst ein Teil des blauen Lichts zu werden. Und mit einem Mal spürte er eine große Ruhe und er wusste: Er war das Licht.
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DIE SUCHE
DIE WELT UNTER DEM BLAUEN KRISTALL
Am Anfang war das Licht. Durch die geschlossenen Augenlider glich es dem Schein der Morgensonne – nur dass diese Sonne blau war.
Schlagartig öffnete Jonas die Augen. Er lag auf dem Rücken, halb verdeckt von dem Fallschirm. Was er über sich sah, ließ ihn erschrocken in die Seitenlage herumfahren. Ungläubig registrierte er, wie sein Körper bei dieser unvermittelten Bewegung träge vom Boden aufstieg, um gleich darauf langsam wieder zurückzusinken. Lag er etwa auf dem Grund des Meeres? Sein seltsames Auf- und Abwärtstreiben jedenfalls legte diese Vermutung nahe. Nein, Unsinn! Jonas verscheuchte diesen absurden Gedanken. Dann hätte er ja tot sein müssen, und »die Toten erkennen überhaupt nichts mehr«, wie Großvater immer zu sagen pflegte.
Aber Jonas nahm seine Umgebung sehr wohl wahr. Benommen drückte er seinen Körper hoch. Dabei schwebte er um zehn oder fünfzehn Zoll vom Untergrund auf, glitt aber sogleich wieder zurück. Auf Hände und Knie gestützt, wagte er einen weiteren Blick.
Um ihn herum herrschte das Chaos. Blitze zuckten. Überall schienen Kristallflächen zu schweben… Oder war es nur der Schwindel, der ihm die Bewegungen dieser seltsamen durchscheinenden Tafeln vorgaukelte? Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund.
Als er wieder aufsah, erlitt er einen erneuten Schock. Wie aus dem Nichts tauchte ein Nashorn vor ihm auf. Es schien geradewegs aus einer der glatten blauen Kristallflächen zu springen und rollte wie ein wild gewordener Bulldozer auf ihn zu. Eine schreckliche Sekunde lang waren Jonas’ Muskeln und Sehnen steif wie die Wurzelstränge einer alten Eiche. Das Tier raste immer näher heran. Nur mühsam ballten sich seine Hände zu Fäusten, die Rechte bekam dabei etwas Rundes, Glattes zu fassen. Er achtete kaum darauf, denn selbst wenn er einen Stein oder eine andere Waffe gegen diesen gepanzerten Koloss besessen hätte, so wäre ihm doch nicht im Traum eingefallen dieses aufgeschreckte Geschöpf damit zu verletzen.
Das Rhinozeros hatte ihn fast erreicht. Obwohl das Tier außerhalb seines Kristalls zusehends träger wurde, würde es ihn dennoch zu Brei zerstampfen, wenn er nicht sofort reagierte. Endlich gelang es Jonas, seine Erstarrung abzuschütteln. Mit aller Kraft stieß er sich vom Boden ab und konnte sich im letzten Moment durch eine schnelle Seitwärtsdrehung in Sicherheit bringen. Um ein Haar hätte ihn noch das spitze Horn des Dickhäuters erwischt.
Es dauerte einen Moment, bis Jonas den Schwung seiner Bewegung bremsen konnte. Dabei verhedderte er sich noch mehr in den Schnüren des Fallschirmes. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn das Nashorn sich darin verfangen und ihn mit sich gerissen hätte! Endlich bekam er festen Boden unter den Füßen und erlangte einen einigermaßen sicheren Stand. Er atmete tief durch und versuchte klar zu denken.
Das Nashorn hatte ihn nicht wirklich angreifen wollen. Bestimmt war es genauso verwirrt gewesen wie er. Jonas blickte sich um, aber er konnte das Tier nicht mehr sehen. Staunend betrachtete er die bizarre Landschaft. Überall ragten aus dem sandigen Boden die manchmal schroffen, manchmal spiegelglatten Kristalle auf. Einige der bläulichen Steine schwebten mehrere Fuß hoch in der Luft und schienen sich langsam zu drehen. Alles war so unwirklich wie in einem Traum. Wo war er da nur hineingeraten?
Langsam erinnerte er sich wieder an die zurückliegenden Ereignisse: die Wild Goose, der Meeresstrudel, das Stehenbleiben der Motoren, der Absprung mit dem Fallschirm. Wo waren Dr. Gould, Frank Holloway und Sam Chalk? Er konnte sie nirgends entdecken.
Es war allerdings auch gar nicht möglich, besonders weit zu sehen. Das Gebiet, in dem er gelandet war, glich einem abstrusen Schrottplatz mit übertrieben effektvoller Beleuchtung. Ringsherum lagen oder standen Schiffe und Flugzeuge verschiedenster Bauart. Erst jetzt fiel ihm auf, dass nur wenige
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