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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Bonkas und die Malkits entstammen ihm.«
    Jonas konnte nicht sagen, ob in der Art, wie Kraark diese Namen aussprach, nun Verachtung oder Bewunderung lag. Als er den Raben fragte, wer denn die Bonkas und die Malkits seien, erfuhr er etwas, was ihm einmal mehr die Sprache verschlug.
    Beide, sowohl die Bonkas wie auch die Malkits, gehörten dem Kleinen Volk an. Sie waren den Menschen sehr ähnlich, allerdings – daher der Name – gewöhnlich deutlich kleiner als ihre irdischen Vorbilder. Doch mehr noch verband sie mit den Menschen. Das Kleine Volk sprach zu den Erdenbewohnern.
    »Sie tun was?«, fragte Jonas erstaunt. Lange hatte er atemlos der Schilderung des Raben gelauscht, sich immer wieder umgesehen, ob nicht irgendwo ein Zwerg aus dem Gras springen würde, aber bei Kraarks letzter Äußerung hatte er einfach nicht mehr an sich halten können. »Ich meine, wie können sie denn zu den Menschen sprechen? Dann müsste man sie doch hören, oder?«
    »So etwas passiert nur selten«, entgegnete Kraark. Gerade hatten sie einen Schotterweg erreicht, auf den Jonas wie selbstverständlich einbog. »Die Flüsterer betrachten es als einen ernsten Verstoß gegen ihren Ehrenkodex, sollten sie von einem Menschen gehört werden.«
    »Die Flüsterer?« Jonas’ mühsam zusammengestoppeltes Bild dieser Welt geriet erneut ins Wanken. »Wer ist nun das schon wieder?«
    »Entschuldige, wenn ich zu schnell voranschreite«, sagte Kraark. »Die Flüsterer sind, einfach ausgedrückt, identisch mit dem Kleinen Volk. Wenn man aber penibel ist, dann dürfte man eigentlich nur diejenigen Bonkas und Malkits so nennen, die zu den Menschen sprechen.«
    »Und wie machen sie das?«
    »Kennst du den Ausdruck, jemanden habe die Muse geküsst?«
    »Du meinst, wenn zum Beispiel einem Komponisten eine geniale Melodie aus der Feder fließt, die er sich niemals hätte träumen lassen?«
    »Es muss sich dabei nicht gerade um Künstler handeln, obwohl ich eingestehe, dass sie zum eifrigsten Publikum der Flüsterer gehören.«
    »Also kann man das Flüstern doch hören.«
    »Selbstverständlich! Mit dem Herzen.«
    »Warum habe ich nur immer den Eindruck, dass du in Rätseln sprichst, Kraark?«
    »In Wirklichkeit ist das gar nicht so schwer zu verstehen, Jonas. Nicht alle Menschen sind in gleicher Weise empfindsam. Genau genommen hören sogar nur sehr wenige auf die Flüsterer. Die meisten sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie den Blick für die Welt, in der sie leben, völlig verloren haben. Ist dir noch nie aufgefallen, dass viele sich verhalten, als wären sie der Mittelpunkt des Universums?«
    »Oh doch! Das habe ich schon oft bemerkt.«
    »Na siehst du. Solche Menschen hören nicht auf die Flüsterer, weil sie gar nichts Neues hören wollen. Sie lieben es, an den Ohren gekitzelt zu werden. Wenn einer daherkommt und ihnen sagt, ihr Volk sei das stolzeste, ihre Sprache die edelste und ihre Nation die größte, dann schreien sie ihre Zustimmung und Begeisterung so laut hinaus, dass kein Flüsterer diesen Lärm je übertönen könnte. Sie laufen lieber jedem hinterher, der ihnen den Himmel auf Erden verspricht, als dass sie einmal innehalten würden, um dem Herzen zu lauschen.«
    »Du meinst, den Flüsterern.«
    »Die Flüsterer suchen sich immer nur wenige aus, oft sogar solche, die ihr Menschen als schräge Vögel, unbequeme Querdenker, zerstreute Erfinder und wagemutige Entdecker kennt. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst…«
    »Und ob!«, sagte Jonas mit einer Überzeugung, die Kraark aufhorchen ließ.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn du selbst auch so ein kleiner Querkopf wärst.«
    »Kenne ich denn einige dieser Menschen, die von den Flüsterern erwählt wurden?«
    »Hast du dich schon einmal gefragt, wie Leonardo da Vinci vor fünfhundert Jahren auf die Idee gekommen ist, Hubschrauber und Fallschirme zu entwerfen?«
    Jonas’ Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Du meinst…?«
    Kraark nickte mit dem Kopf. »Oder wie konnte Mozart in so jungen Jahren eine solche Fülle phantastischer Melodien komponieren, welche die Menschen bis auf den heutigen Tag verzaubern?«
    »Mozart auch?«
    »Die Liste der Namen ist lang: Michelangelo, Shakespeare, Mozart, da Vinci, Newton und Einstein…«
    »Einstein?« Jonas war außer sich vor Aufregung. »Du meinst den Albert Einstein? Er hat seine genialen Ideen von den Flüsterern?«
    »Du scheinst diesen verschrobenen Alten zu mögen.«
    »Er ist das größte Genie unseres

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