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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Jahrhunderts!«
    »Nun ja, er war ein Mensch wie viele andere. Wobei wir uns endlich dem Kern der Sache nähern: Die großen Namen, die ich gerade erwähnt habe, sind nur die Spitze eines Eisberges, wie ihr Menschen zu sagen pflegt. Sie gehören wirklich großen Denkern. Oftmals genügt schon ein kleiner Anstoß, um einen genialen Geist auch auf einen genialen Einfall zu bringen. Aber das wirkliche Lebenselixier für die Menschen scheinen mir nicht die großen Erfindungen und Entdeckungen zu sein.«
    Jonas erinnerte sich an seine Gedanken bezüglich der Atombombe. Wie viele Stunden war das jetzt her?
    »Nein, nein!« Korax Korbinian Kraark steigerte sich immer mehr in seine Rede hinein. »Die Offenheit ist ein viel kostbareres Gut. Ich rede von einer offenen Wesensart, die echter Liebe entspringt. Sie ist das Gegenteil von Engstirnigkeit und Intoleranz. Wer offen ist, wird das Fremde nicht verurteilen, nur weil es anders ist. Im Gegenteil, er wird darin eine Chance sehen Neues zu lernen und zu entdecken. Das ist in Wirklichkeit die Triebkraft aller großen Taten. Wer nur sich selbst sieht, kann sich auch nicht zum Besseren wandeln…«
    »Darf ich dich vielleicht kurz unterbrechen?«, meldete sich Jonas zu Wort.
    »Oh? Bin ich zu pathetisch geworden?«
    »Na ja, vielleicht ein bisschen. Mir ist da nur gerade etwas in den Sinn gekommen. Die Menschen haben ja nicht allein im Guten so ›große Taten‹ vollbracht, wie du sagst. Erst heute habe ich mitbekommen, wie schnell sie einander auch auslöschen könnten. Ein paar Raketen und – ratzfatz – die ganze Menschheit verglüht in einem langen, lauten Knall.«
    »Das hast du heute gehört?« Kraarks Stimme hatte schlagartig jede Überschwänglichkeit verloren. Er wirkte plötzlich sehr aufmerksam.
    »Vielleicht habe ich es etwas überzogen ausgedrückt, aber Dr. Gould und Mr. Holloway haben genau das miteinander besprochen.«
    Kraark erhob sich aufgeregt in die Luft und flatterte so lange vor Jonas’ Nase herum, bis dieser stehen blieb. Dann landete er direkt vor dessen Füßen und verlangte: »Du musst mir jede Einzelheit berichten. Versuche nichts auszulassen.«
    »Moment mal!«, protestierte Jonas. »Erst bin ich an der Reihe. Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet: Sind die Flüsterer auch die ›Musen‹ für die schlimmen Taten der Menschen?«
    »Ja. Wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Ja, Jonas. Das ist das Wesen der Malkits. Die Bonkas sind das Spiegelbild des Guten im Menschen, aber die Malkits vereinen in sich jede boshafte Regung der Erdenbewohner.«
    Jonas dachte an die schrecklichen Kriegsbilder, die er vereinzelt im Fernsehen gesehen hatte. Er starrte entsetzt in das schwarze Gesicht des Raben.
    »Sieh mich nicht so an, als wenn ich daran schuld wäre«, sagte Kraark, als müsse er sich dennoch verteidigen. »So ist Azon nun einmal, das ist seine Natur. Der Kristall spaltet die Gefühle der Menschen wie ein Prisma die Farben des Lichts, die guten erschufen die Bonkas, aber die hässlichen, grausamen brachten die Malkits hervor.«
    »Die Farbenstadt«, raunte Jonas mit heiserer Stimme. Indem er die Hände auf die Knie legte, beugte er sich zu dem Raben herab und fragte misstrauisch: »Wer wohnt dort?«
    »Jetzt schaust du mich schon wieder so merkwürdig an! Meinst du, ich würde dich in die Arme der Malkits treiben?« Kraark klang gekränkt. »Natürlich ist das eine Bonka-Stadt. Ihre Hauptstadt sogar! Dort bist du sicher.«
    Jonas blickte eine Zeit lang eindringlich in die dunklen Augen des Vogels. Dann richtete er sich unvermittelt auf, spazierte um den Raben herum und rief über die Schulter zurück: »Wie weit ist es eigentlich noch?«
     
     
    Dunkelheit senkte sich über das Land, eine Nacht, wie sie Jonas noch nie zuvor erlebt hatte. Der Himmel überzog sich mit einem zarten Schimmer, der von Millionen kleinster Pünktchen herrührte, die sich träge über einen tiefblauen Untergrund bewegten. Für gewöhnliche Sterne waren diese glitzernden Sprenkel viel zu lebendig. Jonas musste unweigerlich an den Stein denken, den er noch immer in der Tasche trug. Bisher hatte er Kraark gegenüber nichts von dem Kristall erwähnt. Auf dem Weg in die Farbenstadt war er damit beschäftigt gewesen, von den Ereignissen des vergangenen Tages zu berichten. Der Rabe bestand darauf, dass Jonas keine Einzelheit ausließ. Die meiste Zeit hörte der schwarze Vogel schweigend zu. Hin und wieder stellte er auch einige Rückfragen, vor allem als

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