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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sein. Heute früh wollte ich noch nach Washington und jetzt bin ich in Azon. Ich verstehe das alles nicht…«
    »Ich kann dir sehr gut nachfühlen, dass dich das beunruhigt, Jonas McKenelley. Aber bevor du weitersprichst, wollen wir die Ankunft der anderen Ältesten abwarten. Alle sollten deine Geschichte hören und sich dann gemeinsam ein Bild machen.«
    »Nein!«
    Jonas’ trotzige Antwort hatte den Ältesten aus dem Konzept gebracht. Staunend fragte er: »Was hast du gesagt?«
    »Ich meine, ich werde nicht einfach alles mit mir machen lassen, nur weil Sie das sagen. Ich kenne Sie ja gar nicht. Außerdem habe ich noch nie etwas getan, wenn es nicht einen guten Grund dafür gab.«
    Belkans Gesicht entspannte sich wieder. Verständnisvoll lächelnd sagte er: »Dein Verhalten ist typisch für jemanden, der den Flüsterern zuhört. Das gefällt mir. Sei versichert, dass ich nichts von dir verlangen werde, was du nicht auch selbst tun willst.«
    »Gut. Dann beantworten Sie zunächst mir eine Frage.«
    »Natürlich werden wir dir alles erzählen, wenn du uns erst…«
    »Bitte entschuldigen Sie«, fiel Jonas dem Ältesten ins Wort. »Mein Großvater hat mir zwar beigebracht Erwachsene beim Reden nicht zu unterbrechen, aber das hier ist eine Ausnahme. Eine Notsituation! Ich werde nicht warten, bis alle anderen da sind. Was ich wissen muss, können Sie mir genauso gut sofort sagen. Jetzt!«
    Der Oberälteste besaß genug Lebenserfahrung, um zu wissen, wie ernst es dieser aufgeregte Junge meinte. »Nun gut, dann frage, Jonas McKenelley.«
    Jonas wies mit dem Arm zu dem ovalen Fenster hin. Seine Stimme bebte. »Wer ist dieses Mädchen dort?«
    Belkan blickte erschrocken zu dem Alkoven. »Du hast sie gesehen?«
    »Ja. Wer ist sie? Bitte sagen Sie es mir!«
    »Setz dich, bitte«, sagte der Oberälteste und deutete auf Jonas’ Stuhl. Krem, der dienstbeflissen aus dem Hintergrund aufgetaucht war, zog seinem Herrn ein zweites Möbel heran und trat wieder zurück. Belkan ließ sich schwer darauf nieder und seufzte. »Das ist eine traurige Geschichte. Unser Volk lebt in großem Kummer, seit sie hier ist.«
    »Hat sie einen Namen?«
    »Die Bonkas wählen sich ihre Namen selbst, wenn sie alt genug sind. Sie hatte noch keine Gelegenheit dazu.«
    »Aber sie ist doch kein kleines Kind mehr.«
    »Sie ist eine Kristallgeborene. Der Kristall bringt selten Kleinkinder hervor. Die meisten stehen äußerlich in der Blüte ihrer Jahre oder wie sie«, Belkan deutete müde zu dem Fenster hin, »kurz davor.«
    Jonas versuchte Belkan zu verstehen. Aber es gelang ihm nicht. Angestrengt kramte er in seiner Erinnerung. Was hatte der Rabe von dem Kristall erzählt? Einige seien seine »Kinder«. Jetzt konnte er sich wieder entsinnen! »Gehört sie zu den Wissenden?«, fragte er dann aufgeregt.
    »Ich sehe, du kennst dich bereits recht gut bei uns aus. Ja, alles, was einen Wissenden auszeichnet, trifft auch auf sie zu. Sie kam aus der Spiegelregion und sie besitzt das Aussehen einer Angehörigen des Kleinen Volkes. Ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass auch der Zeitpunkt stimmt.«
    »Der Zeitpunkt?«
    »Die Kristallgeborenen sind sehr selten. Tiere und Pflanzen spuckt der Kristall zuhauf aus, aber es verstreichen oft Generationen, bis er wieder einen Wissenden hervorbringt. Die Legiden – ein Orden von Geschichtsschreibern – führen hierüber seit Jahrtausenden akribische Aufzeichnungen. Ich habe mich zeit meines Lebens mit den Chroniken der Legiden beschäftigt und kann daher sagen, dass die Wissenden eigentlich nur dann erscheinen, wenn unserer Welt große Gefahr droht.«
    »Und ist das der Fall?«
    »Da liegt ja das Problem. Normalerweise ist es die Aufgabe der Wissenden, die Gefahr zu erkennen. Sie sagen uns auch, wie wir sie bannen können. Aber sie«, Belkans Kopf zeigte zu dem leblosen Körper hin, »kann nichts sagen.«
    »Wollen Sie damit behaupten, dass sie sich… schon immer in diesem Zustand befand?«
    Belkan nickte mit schwerem Haupt. »Wir fanden sie am Rande der Spiegelregion. In der Nähe äste ein scheuer weißer Hirsch und direkt neben ihrem Haupt saß ein großer Rabe. Wir vermuten, dass der Hirsch den Körper des Mädchens aus der Spiegelregion getragen hat, dann aber von dem Raben verscheucht wurde. Alle hier sind überzeugt, der schwarze Vogel ist schuld an dem Zustand des Kristallkindes.«
    Jonas stockte der Atem. »Kraark!«, stieß er empört hervor.
    »Was ist mir dir? Hast du dich verschluckt?«
    In Jonas’

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