Das Echo der Flüsterer
für große Auftritte zu haben«, begrüßte er seinen schwarz gefiederten Weggefährten.
»Ich habe mich nur für eine Weile zurückgezogen, weil ich wusste, wie man hier über mich denkt«, entgegnete Kraark und sah dabei anklagend in die Runde.
Ehe noch Jonas etwas erwidern konnte, flog die Tür erneut auf. Krem stürzte herein, erblickte den Raben und ging gleich auf ihn los. »Hier steckt das Tier also!« Der Diener versuchte Kraark zu fassen, doch der Rabe war viel zu schnell für ihn. Der Vogel machte sich einen Spaß daraus, den dürren Mann durch den Saal zu scheuchen.
»Krem!« Belkans donnernder Ausruf stoppte sofort den Jagdeifer des Angerufenen. Der Diener richtete sich auf. Erst jetzt wurde er sich bewusst, zu welch unwürdigem Treiben er sich hatte hinreißen lassen, hier, im ehrwürdigen Kristallsaal!
»Es sah ganz so aus, als hätte es dir auch noch Spaß gemacht«, flüsterte Jonas dem Raben zu.
»Fangen spiele ich am liebsten«, antwortete Kraark vergnügt. »Seit ich mit Talinkas Welpen durch den Schnee tollte, habe ich mich nicht mehr so gut amüsiert!«
»Was tust du da?«, mischte sich eine erstaunte Stimme in das Gespräch der beiden. Es war Goldan, der den Raben misstrauisch beäugte.
Jonas sah den Wächter verständnislos an. Dann bemerkte er, dass auch die anderen Ältesten ihn argwöhnisch musterten. »Ich habe nur mit dem Raben gesprochen. Ist das etwa ein Verbrechen?«
»Du hast… mit ihm?« Goldan nickte mit dem Kopf in Kraarks Richtung.
»Aber ja. Ich habe mir nichts dabei gedacht…«
»Willst du damit sagen, dass du die Sprache der Raben verstehst?«, fiel ihm jetzt Belkan ins Wort.
Allmählich ahnte Jonas, worin die Ursache der allgemeinen Verwunderung lag. Ein schelmisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Ich spreche fließend Rabisch. Aber wie mir scheint, bin ich der Einzige hier in diesem Raum.«
»Ich sage euch, das hat nichts Gutes zu bedeuten«, unkte ein Ältester, den die anderen Gondik nannten.
»Ja«, pflichtete ihm Arjoth bei. »Ich habe euch ja gleich gesagt, dass er ein Spion ist. Der Rabe und er stecken unter einer Decke.«
»Das hatte ich befürchtet«, seufzte Kraark, der neben den Stuhl des Jungen getrippelt war.
Jonas teilte die Enttäuschung des Raben. Die ganze Situation schien gänzlich verfahren zu sein. Er selbst konnte an kaum etwas anderes als dieses schlafende Mädchen denken. Er wollte ihm helfen, auch wenn er nicht wusste, wie. Aber diese alten Männer hier schienen nichts Besseres zu tun zu haben, als ihn irgendwelcher dunklen Machenschaften zu bezichtigen. Warum nur hatten sie eine solche Furcht vor einem Raben?
Goldan versuchte noch einmal die hitzige Diskussion herumzureißen. Jonas stelle keine Gefahr für die Bonkas dar. Man müsse ihn im Gegenteil als Chance begreifen die gegenwärtige Krise zu bewältigen. Aber als Arjoth ihn dann mit vorgerecktem Kinn fragte, warum er solche Hoffnungen in diesen Rabenfreund setze, schwieg Goldan. Er fand keine Worte für das, was sein Herz ihm sagte.
Nachdem die meisten Ältesten ihre Meinung kundgetan hatten, verschaffte sich Belkan erneut Gehör. Der Vorsitzende im Ältestenrat wiederholte seinen Beschluss die Sitzung am nächsten Tag fortzusetzen. Das Auftreten des Raben hätte die Situation nur noch verworrener gemacht. »Möglicherweise ist es falsch, ihm zu misstrauen«, sagte er mit müder Stimme. »Aber die Leichtgläubigkeit ist eine noch viel größere Gefahr.« Und sich an seinen Diener wendend fügte er hinzu: »Krem, weise dem Knaben und seinem Vogel eine gut verschließbare Kammer zu. Kümmere dich darum, dass sie alles bekommen, was sie benötigen. Und Sorge dafür, dass sie morgen früh noch da sind!«
Krem nickte wie jemand, der genau weiß, worin seine Pflichten bestehen. Jonas fest in die Augen blickend deutete er mit ausgestrecktem Arm zum Ausgang.
Jonas sah zu dem schwach schimmernden Alkoven hin und warf dann Goldan einen verzweifelten Blick zu. Sein Herz schlug heftig, ein tiefer Atemzug, aber ihm fehlten die Worte. Was konnte er diesen verbohrten alten Männern noch sagen, die sich bereits zum Gehen erhoben hatten? Sie würden ihn sowieso nicht zu dem Mädchen lassen.
Gerade war er mit gesenktem Kopf aufgestanden, als eine energische Stimme an sein Ohr drang. Sie war hell und knarzte wie ein Segelschiff im Sturm.
»Dummkopf! Lass mich endlich vorbei oder ich verwandele dich in eine Trompete.«
Es folgte ein leiser Aufschrei, dann einige schnelle stampfende
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