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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wenn er nicht der Gerufene ist, dann kann er nur ein Spion sein«, warf währenddessen ein anderer namens Arjoth ein. »Wir alle wissen, dass die Malkits zu allem fähig sind. Sie würden uns selbst ein Kind senden.«
    Da war er wieder, dieser Tonfall: nicht wirklich bösartig, aber auf eine unüberhörbare Weise geringschätzig. Jonas fragte sich allmählich, warum er überhaupt noch hier saß. Seine Hände lagen auf der gläsernen Tafel und ballten sich langsam zu Fäusten. Was sollte all dieses Geschwafel? Da drüben lag ein verletztes Mädchen, das Hilfe brauchte, und diese alten Männer stritten sich darum, ob sie von ihm – Jonas – etwas zu befürchten hatten.
    »Das ist doch Blödsinn!«
    Zwölf Augenpaare blickten fassungslos in Jonas’ Richtung.
    Der war von seinem Stuhl hochgefahren und hatte mit den Händen auf den Tisch geschlagen. Er konnte seine Wut nur schwer beherrschen. »Ich komme mir hier langsam vor wie bei den sieben Zwergen, die darüber streiten, wer von ihrem Tellerchen gegessen hat, während Schneewittchen todkrank in ihrem Kristallsarg liegt.«
    Der allgemeinen Bestürzung in den Gesichtern gesellte sich nun noch Verwirrung hinzu. Murren und Grummeln erhob sich in der Runde.
    »Hat er den Verstand verloren?«, fragte einer, den Jonas noch nicht kannte.
    »Ich glaube, wir haben einen großen Fehler gemacht.« Belkans tiefe Stimme sorgte augenblicklich für eine Entspannung der Situation. Alle Köpfe wandten sich zu ihm um. »Wir haben über Jonas McKenelley gesprochen, aber nicht mit ihm.«
    »Darf ich etwas sagen?« Goldan war abrupt aufgestanden.
    Abgesehen von seinem Bericht hatte er sich als Jüngster im Rat bisher bescheiden zurückgehalten.
    Belkan nickte. »Bitte, Goldan, sprich.«
    »Ich glaube nicht, dass Jonas McKenelley eine Gefahr für uns darstellt.«
    Seine Mitältesten blickten ihn ratlos an.
    »Es ist schwer, das zu beschreiben«, fügte Goldan hinzu. »Aber ich fühle, dass ich diesem Menschenkind trauen kann. Wenn er nicht der Gerufene ist, dann muss das nicht zwangsläufig heißen, dass die Malkits ihn geschickt haben. Er könnte aus Versehen hierher gekommen sein.«
    »Wir haben lange keine Wanderer mehr in unserer Gegend gehabt«, warf ein Ältester zweifelnd ein.
    »Aber was heißt das schon?«, verteidigte Goldan den Gast mit wachsendem Eifer. Seine Stimme klang aufrüttelnd, als er die anderen am Tisch erinnerte: »Wir sind nicht die Malkits. Sie säen Misstrauen gegenüber allem, was fremd ist. Ihr wisst so gut wie ich, dass die Menschen nur allzu bereitwillig auf diese Einflüsterungen hören. Aber wenn nun auch wir das tun, wer könnte dann noch der Engstirnigkeit Einhalt gebieten?«
    Betretenes Schweigen breitete sich aus. Etliche Älteste betrachteten die Muschel unter der Tischplatte, einige auch die eigenen Fingernägel.
    »Ich danke dir für deine offenen Worte«, übernahm nun wieder Belkan das Wort, während Goldan Jonas aufmunternd zublinzelte, »aber wir sollten nicht vergessen, dass du der Jüngste unter uns bist. Jugendlicher Tatendrang ist einem ausgewogenen Urteil nicht immer förderlich.«
    Jonas’ Mut sank nun völlig. Man würde ihm nie erlauben sich das schlafende Mädchen aus der Nähe anzusehen! Fast schon teilnahmslos hörte er mit an, wie Belkan empfahl die weiteren Erörterungen auf den nächsten Tag zu verschieben. Er betonte noch einmal, dass Goldans Appell gut und richtig sei. Niemals wolle man Unrecht dulden. Schon gar nicht an einem Wanderer! Aber wegen der sich häufenden Gerüchte über einen neuen boshaften Plan der Malkits dürften sie keinen Leichtsinn walten lassen. Gerade wollte er die Sitzung aufheben, als es an der Tür zum Ratssaal klopfte.
    Belkan schaute irritiert auf. »Ich hatte Krem doch gebeten, dass er uns auf keinen Fall stört.«
    Erneut klopfte es. Diesmal laut und fordernd.
    »Nun komm schon herein, Krem«, rief der Oberälteste unwirsch.
    Das Klopfen wiederholte sich.
    »Soll ich öffnen?«, fragte Klabbath.
    »Vielleicht hat er ein Tablett in den Händen.« Belkan nickte in Richtung Tür. »Sei bitte so nett, Klabbath.«
    Der Angesprochene schob seinen Stuhl zurück, ging zur Tür und riss sie schwungvoll auf. Noch bevor er sie wieder erschrocken zuwerfen konnte, war der Rabe schon in den Raum geschlüpft.
    »Was ist denn das?«, rief der Älteste, der dem Tier am nächsten saß.
    »Für mich sieht es aus wie ein Kolkrabe«, erklärte Jonas. Er sprang vom Tisch auf und eilte zu Kraark. »Du scheinst ein Talent

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