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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hören. Schließlich haben sie schon lange auf dich gewartet.«

 
    DER MUSCHELPALAST
     
     
     
    Während Jonas an Goldans Seite durch die Straßen von Laomar hetzte, fragte er sich, weshalb man ihn auf Azon erwartet haben sollte. Konnte es sein, dass die Wanderer, wie Goldan sie nannte, nur »auf Bestellung« in die Welt unter dem blauen Kristall kamen?
    Immer wieder sah er zum Himmel empor, aber von Kraark fehlte weiterhin jede Spur. Jonas fühlte sich im Stich gelassen. Warum war der Rabe so plötzlich verschwunden?
    Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mehr Bonkas liefen ihnen über den Weg. Jonas fiel auf wie ein bunter Hund. Jemand mochte auch noch so eilig vorüberhasten, sobald er den Wanderer bemerkte, blieb er wie angewurzelt stehen und blickte ihm hinterher. Nicht wenige schlossen sich auch dem Wächter und seinem Gefangenen (so jedenfalls fühlte sich Jonas) an. Bald zogen sie einen ganzen Schweif von kleinen Männern, Frauen und Kindern hinter sich her.
    Fast unbewusst registrierte Jonas, dass die Häuser immer prächtiger wurden. Sie bestanden ausnahmslos aus Muscheln, fein säuberlich nach Farben sortiert: Manche Gebäude waren hellblau, andere orange, wieder andere rosafarben wie Goldans bescheidenes Heim. Endlich betraten sie einen weiten Platz, der an ein gewaltiges Muschelhaus grenzte. Das Bauwerk war vier Stockwerke hoch, hatte unzählige Türmchen, Erker, Dachflächen und Flügel. Von seinem Standpunkt aus war es unmöglich, den ganzen Muschelpalast zu überblicken.
    »Werden wir die Ältesten dort treffen?«, fragte Jonas. Es waren die ersten Worte, die er seit dem Beginn des Marsches an seinen Begleiter richtete.
    »Das ist der Palast des Kristallrats«, antwortete Goldan. »So wird der Rat unserer Ältesten genannt. Dort wohnt auch Belkan, der dem Kristallrat vorsteht.«
    Auf der anderen Seite des runden Platzes angekommen, klopfte Goldan an die Tür des Palastes. Es dauerte nicht lange und sie wurde von einem extrem dünnen Bonka geöffnet. Er klopfte sich einmal an die Brust und neigte andeutungsweise den Kopf.
    »Goldan! Was treibt euch so spät noch in die Stadt?«
    Der Wächter erwiderte die Begrüßungsgeste eilig und kam sogleich zur Sache. »Gewiss keine Nebensächlichkeit, Krem. Ich muss Belkan dringend sprechen.«
    »Hat das nicht bis morgen früh Zeit? Wahrscheinlich schläft er schon.«
    »Dann wecke ihn, Krem!« Goldans Stimme klang nicht barsch, aber man konnte den Ernst in ihr nicht überhören.
    »Willst du mir nicht verraten, in welcher Angelegenheit du hier bist?«, erwiderte Krem in gekränktem Ton.
    »Natürlich«, knirschte Goldan. Er zog Jonas in das Licht unter der Tür und fügte hinzu: »Sag Belkan einfach, der Wanderer sei gekommen.«
    An Krem vollzog sich nun eine bemerkenswerte Veränderung: Die Augen drohten ihm aus den Höhlen zu rollen, während er Jonas mit offenem Mund ansah. Sein Kopf versank zwischen den Schultern und sein ganzer Körper erstarrte.
    Goldan erkannte, dass er den persönlichen Diener des Oberältesten irgendwie wieder beleben musste. Deshalb neigte er sich vor und rief ihm laut ins Ohr: »Und wenn du Belkan Bescheid gegeben hast, dann ruf bitte die anderen Ältesten zusammen. Und nun schnell! Lauf!«
    Endlich erwachte Krem. Er schenkte Jonas noch einen hastigen Seitenblick und verschwand dann im Haus.
    »Gehörst du auch dem Kristallrat an?«, fragte Jonas, als Goldan ihn mit ernster Miene musterte.
    »Die Wächter Laomars gehören seit eh und je zum Rat, selbst wenn sie noch jung sind, so wie ich.« Goldan wandte den Blick von Jonas ab und bemerkte, dass der Diener die Tür nicht geschlossen hatte. »Komm! Lass uns hineingehen. Die Nacht wird allmählich kühl.«
    Zögernd folgte Jonas dem Wächter in den Palast. Drinnen begrüßte sie eine Flut von Lichtkugeln. Anders als in Goldans Haus leuchteten sie hier in den unterschiedlichsten Farben. Dem Eingangsportal schloss sich eine große Halle an, deren Innenwände vollständig mit Perlmutt verkleidet waren. Goldan musste Jonas am Ärmel zupfen, damit dieser sich von den funkelnden Verzierungen losriss.
    »Hier geht’s lang.« Er deutete mit dem Kopf nach rechts.
    Jonas folgte dem Bonka, immer wieder staunend nach allen Seiten blickend. Sie betraten einen breiten Korridor, von dem mehrere Türen nach rechts und links abzweigten. An den Wänden standen Glasvitrinen mit seltsamen Kristallstäben darin. Auf einem konnte Jonas Schriftzeichen erkennen, die sich beim Vorübergehen veränderten.

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