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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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näherte sich der Tür, das alte Holz ging knirschend auf. Dora stand vor mir. Sie hatte in ihrer besten Zeit hundert Kilo gewogen, die Armut hatte sie nicht schlanker, nur herber gemacht. Mittlerweile wäre Dora wahrscheinlich weißhaarig gewesen, färbte ihr Haar aber wie eh und je goldblond. Sie trug ein langes Hauskleid mit Papageienaufdruck. Alles an ihr war Vergangenheit – damals , als sie sich Acapulco noch hatte leisten können.
    »Y antes de morirme quiero!« Meine Tante beendete erst den Refrain, bevor sie mich begrüßte. Sie umarmte mich, doch so flüchtig, als sei ich gerade mal zum Einkaufen draußen und nicht jahrelang fort gewesen. »Komm in die Küche, ich muss den Pie rausholen.«
    Es duftete im ganzen Haus. Dora war eine vorzügliche Köchin, früher hatte sie zu jeder Party einen ihrer berühmten Pies mitgebracht.
    »Gestern hat ein Gemüselaster Blaubeeren ausgesondert, weil sie angeblich verfault waren.« Sie öffnete den Ofen. »Die meisten waren noch tadellos, mussten aber schnell verwertet werden.« Mit ihren Topflappen in der Form von Schweineohren holte sie den Kuchen heraus. »Willst du ein Stück?«
    »Lass mich doch erst mal hinsetzen«, sagte ich lächelnd.
    »Ernie!«, rief sie nach oben.
    Dora war nicht imstande, mit Zimmerlautstärke zu sprechen. Ergriff sie das Wort, war es laut und durchdringend, wenn sie schrie, wackelten die Wände. Zwischen meinen Füßen zischte der fette Kater aus der Küche.
    »Ist das Benjie?«, fragte ich erstaunt.
    »Natürlich ist das Benjie.« Sie hob das Blech auf die Anrichte.
    »Aber der müsste heute … zwanzig Jahre alt sein.«
    »Das ist Benjie der Dritte. Genaugenommen ist es eine Sie, wir nennen sie trotzdem Benjamin. Ja, wo ist denn der Benjie«, tirilierte sie. Die Katze ließ sich nicht mehr blicken. »Wo kommst du gerade her?«
    »Aus der Schweiz.« Ich ließ mich auf den Aluminiumstuhl fallen.
    »Ah, Switzerland! In jungen Jahren war ich mal in Davos, habe ich das erzählt? Ski gelaufen bin ich nicht, hatte nur ein fabelhaft eng sitzendes Skidress an. Die Männer standen Schlange, um mit mir in der Gondel den Berg hochzuschweben. Ernie!«, schrie sie, dass ich zusammenfuhr. Wenn er jetzt nicht sofort erscheinen würde, hatte er mit dem Schlimmsten zu rechnen.
    Dora war eins achtzig groß, Ernie etwas über eins fünfzig, sie war eine Megafrau, er ein gemütlicher Knautschsack. Er hatte nie viele Haare besessen, sie aber immer so geschickt drapiert, dass es nach mehr aussah. Jetzt war er grau und drapierte immer noch.
    »Hi, Tony, was geht ab?« Ernie sprach nicht, er nuschelte, knatschte die Worte hervor, als würde er einen Kaugummi ausspucken.
    »Wie wär’s mit Pie, Ernie?«, sagte Dora.
    »Klar.« Er setzte sich mir gegenüber und drückte meine Hand. »Gut steht dir das längere Haar.«
    Ich hatte vor Wochen mit Dora telefoniert und erzählt, dass mein Mann vermisst wurde. Pascal und sie hatten sich nie kennengelernt, dafür hatte seine Zeit nicht ausgereicht. Dennoch wäre es natürlich gewesen, zu fragen, was aus ihm geworden war. Die beiden überließen es jedoch mir, davon anzufangen.
    »Wie ist es euch mittlerweile ergangen?« Ich hielt Ernies warme Hand lange fest.
    »Wir verhungern, wir vermodern, wir verrotten.« Dora lockerte den Teig am Rand. »Ich weiß wirklich nicht mehr, wie es weitergehen soll, und Ernie weigert sich, eine Arbeit anzunehmen.«
    Soweit ich wusste, hatte er noch nie ernsthaft gearbeitet. Ernie war Friseur gewesen, ich persönlich hatte ihn nur einmal Haare zusammenfegen sehen, nachdem er sie meiner Mutter geschnitten hatte.
    »Wer stellt mich schon ein, in meinem Alter?« Er grinste, um zu zeigen, dass es ihm ganz recht so war. Ernie war gebürtiger Grieche, ebenfalls Einwanderer, seinen Nachnamen hatte ich nie aussprechen können.
    »Willst du im blauen oder im rosa Salon schlafen?«, fragte Dora über die Schulter.
    »Ist das Dach über dem rosa Salon repariert worden?«
    »Natürlich nicht.«
    »Dann lieber im blauen. Kann ich duschen?«
    »Wie viel Uhr haben wir?« Sie zog Ernies Handgelenk mit der billigen Golduhr zu sich. »Warte noch ein halbes Stündchen, das Wasser ist noch nicht warm.«
    »Wie wäre es, wenn ich euch zum Dinner ausführe?«
    »Ach, du liebe Zeit, was soll ich da anziehen?« Dora machte eine abwehrende Geste, doch ihre Stimme verriet, dass sie den Vorschlag verlockend fand. »Was meinst du, Ernie?«
    »Warum nicht.«
    Sie hielt den Kuchen mit beiden Händen empor, als wäre es

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