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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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sagte Ernie.
    Ich musste daran denken, dass er den Fachausdruck nicht gelesen haben konnte. Wahrscheinlich wusste er ihn von Dora oder dem Arzt.
    »Was kann man da machen?«
    »Gar nichts. Schau dich um, siehst du eine Tapete im Haus, die nicht gewellt oder fleckig ist? Das ist keine Luftfeuchtigkeit mehr, das ist, als ob es hier drinnen regnen würde.«
    Ich hatte das tropenhaft feuchte Klima bei meiner Ankunft wahrgenommen und den Wasserfällen zugeschrieben, aber nicht bedacht, dass sich Niagara Falls mit Einbruch der kälteren Jahreszeit in eine feuchte Nebelhölle verwandelt.
    »Warum seid ihr nicht weggezogen?« Ich bereute die Frage sofort. »Natürlich, ich weiß schon.«
    »Ernie hat keine Ahnung.« Dora bewegte beim Sprechen kaum die Lippen. »Der Arzt hat auch keine Ahnung. Es sind die Nerven, es ist der Schock.«
    »Welcher Schock, Dora?« Ich wollte irgendetwas tun und nestelte nur hilflos an der Patchworkdecke.
    »Der Schock, dass ich damals fast ins Gefängnis gemusst hätte. Das habe ich nie wirklich verkraftet. Als alles über mir zusammen stürzte, hat das mit den Anfällen begonnen.« Sie hob den Blick. »Kannst du dir mich in einer kalten, schmutzigen Gefängniszelle vorstellen, wo ich meine trostlosen letzten Jahre verbringe?«
    Ich verbiss mir ein Schmunzeln – selbst unter Schmerzen schwelgte sie in melodramatischen Bildern. »Sag mir, welche Medikamente du brauchst, und ich besorge sie dir gleich morgen.«
    »Willst du wissen, was ich brauche? Ein Apartment in Florida oder Mexiko. Sonne, Wärme und eine Golfausrüstung für Ernie, damit er nicht ständig daheim rumhängt. Dann wäre ich bald wieder die Alte.« Sie seufzte. »Aber irgendwann muss man aufhören zu träumen und sich sagen: Mehr wirst du in diesem Leben nicht erreichen, ein Parkplatz am Rande von Niagara Falls. Im Übrigen wartet auf dich nichts als der Tod.«
    Worte, die ich von Dora nicht kannte und bei meiner trällernden Tante nicht erwartet hätte.
    »Wir sollten alle noch eine Runde schlafen«, sagte Ernie und band seine Pyjamahose zu.
    »Morgen gehe ich in den Drugstore.« Ich küsste Dora auf die Stirn. »Und eines Tages fahren wir alle gemeinsam dorthin, wo es warm ist.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr.« Vorsichtig drehte sie sich auf die andere Seite.
    Später, unter der Bettdecke, rieb ich die Füße gegeneinander; es wurde früh kühl dieses Jahr. Ich ertappte mich dabei, nachzurechnen, wann die Frist verstrichen sein und Pascal für tot erklärt werden würde. November, dachte ich, November war ein passender Monat, um sich mit Tod und Begräbnis zu beschäftigen. Würde es denn ein Begräbnis geben, sollte man einen leeren Sarg in die Erde hinablassen? Besser eine Gedenkfeier, überlegte ich und gestand mir ein, dass Pascals Tod in meiner Vorstellung immer deutlichere Konturen gewann.

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    »Jemand hat nach dir gefragt.« Dora wischte Wasser von den Plastikstühlen. Ein kühler Regen war niedergegangen.
    »Wer?« Ich hatte große Einkaufstüten im Arm.
    »Ein sympathischer Kerl, sprach perfekt Englisch, aber einer alten Emigrantin machst du nichts vor. Der Mann kam aus Deutschland.«
    Ich erschrak. Gab es Neuigkeiten über Pascal? »Hat er seinen Namen gesagt?«
    »Er wollte wissen, wie lange du hierbleibst.«
    Auf den Stufen zur Veranda blieb ich stehen. »Hör mal, ein Ausländer erkundigt sich nach mir, und du fragst nicht, wie er heißt und was er will?«
    »Er kommt morgen wieder.« Ohne mir etwas abzunehmen, ging sie ins Haus. Zwischen ihren Beinen huschte Benjie ins Freie.
    Nachdenklich stieg ich eine Stufe höher. Als Frau von Pascal war ich gelegentlich einigen Deutschen vorgestellt worden, doch darunter war gewiss niemand, der sechstausend Kilometer fliegen würde, um mich zu besuchen. Obwohl der Gedanke abwegig war, ging mir David durch den Kopf. Doch das konnte nicht sein, ich kannte ihn kaum, außerdem hätte David bestimmt vorher angerufen. Trotzdem hätte es mich gefreut, wenn gerade er durch diese Tür spaziert wäre.
    Beim Einräumen des Kühlschranks fiel mir seine Visitenkarte im Fensterschlitz ein. Ich wollte hochlaufen und sie holen.
    »Das musst du dir ansehen!«, rief Dora aus dem Wohn zimmer.
    Ich ging hinüber, überlegte, ob ich sie nach dem Aussehen des Fremden fragen sollte, setzte mich aber wortlos aufs Sofa. Sie hatte ein Fotoalbum hervorgeholt.
    »Als wir in Rio waren, wurde die Christusstatue gerade renoviert.« Dora tippte auf ein Bild, das den Betonchristus von hinten zeigte. »Die

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