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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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lächerliche Idee, hier, am Ende der Welt, auf Familie zu machen. Ich sprang auf, zog meine Jacke an und suchte Dora, um ihr zu sagen, dass ich wegfahren und zum Dinner nicht daheim sein würde. Ich fand sie nicht im Haus, entdeckte sie aber durch das Küchenfenster; sie hatte den Truckern Kuchen gebracht und genoss die kleine Runde, die mit ihr plauderte. Ich lief zum Eingang und knallte dem Fremden die Fliegengittertür hart an den Kopf. Er taumelte zurück und griff sich an die Stirn.
    »Tut mir leid, ich habe Sie nicht …«
    Der Mann war mir unbekannt. Ich starrte ihn an, meine Vorfreude auf Besuch verflog.
    »Mrs. Zuermatt?« Obwohl er mich fragend ansah, hatte ich den Eindruck, er wusste, dass ich es war.
    »Ja?«
    »Mrs. Antonia Zuermatt?«
    »Ja, das bin ich.«
    So wie er die Frage stellte, klang sie amtlich, dabei wirkte der Mann wie das Gegenteil einer Amtsperson. Er hatte wildes schwarzes Haar, helle Augen und einen Dreitagebart. Soweit man das unter der derben Lederjacke sehen konnte, war seine Figur sportlich. Unter anderen Umständen hätte ich diesen Mann für einen Globetrotter gehalten, der sich auf einer Reise quer durch den amerikanischen Kontinent befindet. Auch seine staubigen Schuhe passten zu diesem Bild.
    »Mein Name ist Stein.« Er streckte mir die Hand entgegen. »Könnte ich Sie bitte sprechen? Es wird nicht lange dauern.« Sein Englisch klang schwer; er sprach, als ob er sich in der Fremdsprache nicht wohlfühlte.
    »Worum handelt es sich?« Sein Händedruck war kräftig. »Wir können Deutsch sprechen.«
    »Einverstanden.«
    »Wollen Sie hereinkommen?«
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Dora mit dem leeren Kuchenblech zurückkehrte.
    »Die Angelegenheit ist allerdings persönlich.« Er drehte sich suchend um. Am anderen Ende der Straße gab es einen Internetpoint, wo man auch Kaffee trinken konnte.
    Als Dora den Besucher sah, beschleunigte sie ihren Schritt. »Da sind Sie ja wieder!«
    »Entschuldigung, dass ich Sie noch einmal belästige.«
    »Lassen Sie mich raten, Sie stammen aus Bayern, stimmt’s?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Mein Mann stammt auch von dort.«
    Der Fremde wandte sich zur Tür, wo Ernie hinter dem Fliegengitter auftauchte. »Ihr Mann?«
    »Nicht der!«, lachte Dora. »Mein erster Mann.« Als wäre sie die Gastgeberin einer Talkshow, trat sie zwischen uns. »Aus welcher Ecke von Bayern kommen Sie?«
    »Ein kleiner Ort. Sie kennen ihn bestimmt nicht.«
    »Ich war das letzte Mal in Bayern … Mein Gott, das ist über dreißig Jahre her!«
    »Warum gehen wir nicht in das Café dort drüben?«, schlug ich vor. Auch wenn der Internetladen die Gemütlichkeit einer Kühlhalle besaß, würden wir dort wenigstens ungestört sein.
    Ernie öffnete die Außentür. »Kommt ihr rein, oder was?«
    »Ja, kommen Sie doch«, ermunterte Dora.
    »Später vielleicht. Ich möchte Ihre Nichte zuerst unter vier Augen sprechen.«
    Dora überspielte die Zurückweisung. »Wie wär’s später mit einem Stück Blaubeer-Pie?«
    Ich holte meine Jacke, der Fremde und ich zogen los. Solange wir in Hörweite des Hauses waren, schwieg er, dann wandte er sich zu mir. »Sie sind nicht leicht zu finden, Frau Zuermatt.«
    »Wieso haben Sie mich gesucht?«
    Er hob den Kopf, bis zum Ende der Straße war es nicht mehr weit. »Sie waren viel unterwegs in letzter Zeit.«
    Wir traten ein, ich begrüßte den Besitzer, einen jungen Araber, bestellte zweimal Kaffee, wir gingen in den hinteren Teil des Ladens.
    Der Mann, der Stein hieß, zippte die Tasche seiner Lederjacke auf. Er wirkte wie einer, der sich eine Zigarette drehen würde, doch ein kleiner karierter Notizblock kam zum Vorschein. »Frau Zuermatt, ich muss Ihnen ein paar Fragen bezüglich Ihres Mannes stellen.«
    Die Einleitung verwunderte mich nicht. Wenn mir jemand extra aus Deutschland hinterherreiste, musste es mit Pascal zu tun haben. Eine Versicherungsangelegenheit oder etwas Privates, vermutete ich. »Sind Sie ein Freund von ihm?«
    »Das nicht.«
    Der Kaffee kam in Pappbechern, Stein kippte den Zuckerstreuer zweimal, bevor er umrührte.
    »Sagt Ihnen der Ausdruck Front Running etwas?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wirklich nicht?« Er nippte und verzog den Mund. »Im Zusammenhang mit der letzten Finanzkrise ist der Begriff häufig gefallen.«
    »Tut mir leid, ich höre ihn zum ersten Mal.«
    »Vereinfacht gesagt beschreibt Front Running die Verwertung von Insiderkenntnissen an der Börse, wodurch risikolos Gewinne eingestrichen werden

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