Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
verlieren.
»Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen das sagen: Sie haben einen gefährlichen Mann geheiratet.«
»Pascal – gefährlich?« Ich starrte ihn an.
»Nicht in der Art eines gewöhnlichen Verbrechers, und doch war Pascal Zuermatt einer der gefährlichsten Haie im Pool der Wirtschaft – der Weltwirtschaft.«
Ich schaute hinaus. Alles an der Umgebung wirkte ärmlich und heruntergekommen. Alles war Lichtjahre von der Welt entfernt, von der Stein sprach, die Welt meines Mannes, der auf fürchterliche Weise wieder zum Leben erwacht war.
1 1
Die Visitenkarte war eingerissen, durch die Feuchtigkeit aufgequollen, aber die Schrift noch gut zu erkennen. Ich saß auf dem Bett in meinem Zimmer und starrte Davids Karte an. Er hatte so viel Verständnis für meine Lage gezeigt, dass ich hoffte, mit ihm auch über diese neue, unfassbare Situation sprechen zu können. Ich griff zum Telefon – und legte gleich wieder auf. Bevor ich etwas unternahm, wollte ich es noch einmal überdenken. Dora einzuweihen erschien mir sinnlos. Wozu sollte ich sie ängstigen?
Ich verließ das Haus. Draußen sah ich mich vorsichtig um und musste darüber fast lachen: Fürchtete ich, beschattet zu werden von dunklen Gestalten des FBI oder abgehört von irgendwelchen Nachrichtendiensten? Ich lief die Straße hinunter, erreichte den Internetpoint zum zweiten Mal und bat, telefonieren zu dürfen. Überrascht zeigte der Besitzer auf die Zellen. In einer Welt, wo fast jeder ein Handy besaß, kamen sonst nur die ärmsten Einwanderer in diesen Laden, um nach Hause zu telefonieren. Ich schloss die Tür, wählte, es läutete zweimal, dann hörte ich Davids Stimme.
Ob er ein paar Minuten Zeit hätte? Ich hielt mich mit keiner Vorrede auf und berichtete das Vorgefallene. Ich sagte, ich würde sonst niemanden kennen, der mit Börsenangelegenheiten Bescheid wüsste, es gehe um Dinge, die zutiefst einschüchternd für mich seien. Ich fragte, ob ich mir am besten einen Anwalt nehmen solle.
Die Telefonzelle bestand aus lackierten Sperrholzplatten, die Farbe löste sich, es roch muffig hier drin. In dieser Umgebung hörte ich mich die Summe von hundertzwanzig Millionen nennen. In welcher Währung war fast egal, alles mutete wie ein Monopoly-Spiel an, buntes Geld, irreales Geld. Ich erzählte, was Stein mir vorgeschlagen hatte: Ich sollte ihm helfen, meinen Mann ans Messer zu liefern. Als Belohnung würde ich Pascal zurückbekommen.
»Es war richtig, dass du mich angerufen hast.« David hatte mich kaum unterbrochen. »Von wo aus sprichst du?«
Fragte er sich also auch, ob ich abgehört würde? »Ich habe nichts verbrochen«, antwortete ich leise.
»Das glauben die vom Betrugsdezernat aber wahrscheinlich.«
Ich wechselte den Hörer ans andere Ohr. »Was soll das heißen?«
»In den meisten Fällen ist die Ehefrau eingeweiht und wickelt für ihren Mann die Angelegenheiten ab.«
» In den meisten Fällen? Kommt so etwas öfter vor?«
»Es wäre nicht das erste Mal. Häufig geht es um Steuerhinterziehung. Dann setzen sich die Leute in Länder ab, die kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland haben. Aber in deinem Fall …«
»Ich bin kein Fall!« Ich spürte Schweißperlen auf der Oberlippe. »Als ich glauben wollte, dass Pascal lebt, hat man mich zur trauernden Witwe gestempelt. Jetzt soll ich glauben, dass er lebt, und man stempelt mich zur Gangsterbraut!«
»Du siehst das zu melodramatisch«, besänftigte er mich.
»Das liegt bei uns in der Familie.« Ich riss mich zusammen. »Was soll ich tun, David, was soll ich denn tun?«
»Komm her«, sagte er nach einem Moment des Zögerns.
»Kommen, bedeutet das …?«
»Nach Frankfurt.« Er machte eine Pause. »Wenn wirklich etwas gegen deinen Mann vorliegt, ist das hiesige Betrugsdezernat dafür zuständig. Hat dieser Fahnder dir seine Karte gegeben?«
Ich kramte sie aus der Tasche hervor. »Du hast recht, die Behörde sitzt in Frankfurt.«
»Okay. Nur von hier aus kannst du etwas unternehmen. Du brauchst Akteneinsicht, du solltest dir wirklich einen Anwalt nehmen.«
Die Summe der Ereignisse lähmte mich. »Ich habe nicht genug Geld für so etwas.«
»Hat Pascal dir nichts hinterlassen?«
»Er konnte doch nicht voraussehen, dass er beim Tauchen …« Ich unterbrach mich. Das stimmte nur in dem Fall, wenn Pascal verunglückt war. Hatte er sich, wie Stein behauptete, abgesetzt , hätte er mich absichtlich mittellos zurückgelassen. »Es gibt ein gemeinsames Konto«, fuhr ich sachlicher fort.
Weitere Kostenlose Bücher