Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
einen Vorschlag.« David blieb stehen. »Seit meiner Scheidung kommt mir mein Apartment unsinnig groß vor. Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du mein Gast wärst. Ich habe keinerlei Hintergedanken dabei«, setzte er so eilig hinzu, dass es fast beleidigend war. »Ich weiß, was gerade auf dich einstürzt, also glaub nicht, dass ich die Lage ausnutzen möchte. Ich würde dir nur gern helfen.«
»Können wir vielleicht erst mal in deine Wohnung fahren, und ich überlege es mir dann?« Der Gedanke, an keinen anonymen Ort zu müssen, gefiel mir.
»Dann sollten wir jetzt zum Bahnhof zurückkehren.«
»Wieso?«
»Weil dort mein Auto steht.«
David wohnte in einer alten Villengegend, doch das Apartmenthaus, vor dem er hielt, war modern, ein Architektenbau, dessen Eigenheit darin bestand, dass es keine rechten Winkel gab; die Linien liefen schräg aufeinander zu.
»Hinten ist noch ein Extrazimmer«, sagte er. »Wir haben es eigentlich nie benutzt, es hat sogar einen kleinen Balkon.«
Ich stellte meine Sachen in dem freundlichen Zimmer ab.
»Frühstück?«, fragte David.
Ich hatte im Flieger gegessen, sah ihm aber gern zu, wie er alles vorbereitete. »Wieso ist deine Frau hier ausgezogen und nicht du?«
»Ich habe ihr eine neue Wohnung gekauft.« Er schaute vom Herd auf. »Entschuldige, das klingt großspurig, aber es war die sauberste Lösung.« Etwas nachdenklicher fügte er hinzu: »Kann sein, dass ich auch bald ausziehen werde. Mich erinnert hier zu viel an früher.«
Nachdem ich den ersten Kaffee getrunken hatte, machte David mir eine überraschende Eröffnung. »Ich habe bereits etwas in Erfahrung gebracht. Ich kenne einen guten Anwalt, der wiederum deinen Mann kannte, und der hat sich umgehört.«
»Ein Anwalt?« Ich erschrak. »Was wird der verlangen?«
»Vorläufig nichts. Dr. Hollmann tut mir bloß einen Gefallen.«
»David, ich kann das nicht annehmen. Wir beide sind uns nur zweimal begegnet, wir haben eine Wanderung gemacht – und jetzt umsorgst du mich, leitest Dinge in die Wege …« Es gelang mir nicht, zu erklären, was mich daran störte.
»Komme ich dir zu übergriffig vor?« Er seufzte. »Das war schon immer die Krux mit mir: Ich kann den Dingen nicht ihren Lauf lassen. Wenn ich ein Problem sehe und weiß, wie ich es lösen kann, löse ich es. Verzeih, ich bringe dich in Verlegenheit. Du willst es natürlich auf deine Weise machen.«
»Das ist es nicht.« Der Toaster sprang hoch, ich legte die Scheiben auf unsere Teller. »Ich kann Hilfe dringend brauchen, aber wir sollten erst klären, wie ich mich eines Tages revanchieren werde. Nein, das meine ich nicht – wie ich es zurückzahlen kann. Ein Anwalt, all die Zeit, die du aufwendest – das kostet Geld. Wie wollen wir das regeln?«
»Das macht dir Sorgen?«
»Begreifst du das nicht?«
»Okay, regeln wir es«, sagte er, doch ich spürte, ich hatte ihn verletzt. »Wenn dein Mann für tot erklärt wird, erbst du etwas. Das sollte reichen, um einen Anwalt zu bezahlen. Lebt dein Mann aber noch, nehmen deine Probleme auf andere Weise ein Ende. Du befindest dich also in einer klassischen Win-win-Situation.«
»Win-win?« Ich lächelte. »Ich habe bis jetzt geglaubt, ich sei der typische Loser.«
»Du denkst nicht logisch«, sagte er fast väterlich. »Auf der einen Seite ermittelt Stein. Seine Behörde will natürlich nur das rauskriegen, was ihre Theorie erhärtet. Du brauchst daher Fakten, die deinen Mann entlasten. Dazu hast du eigentlich alles in der Hand.«
»Habe ich das?« Die Butter war zu hart zum Streichen, mein Toast zerbrach.
»Die Villa«, nickte David. »Der Anwalt hat mich informiert, dass der Gerichtsbeschluss, der nötig ist, um Pascals Villa zu durchsuchen, noch nicht genehmigt wurde. Wegen eines Formfehlers, es hat mit dem Verschollenheitsgesetz zu tun. Das heißt, Stein will um jeden Preis in die Villa, darf aber nicht. Ich bin sicher, er wird versuchen, dich zu überreden, ihn reinzulassen.«
»Reinlassen?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich war ja selbst nur ein einziges Mal dort.«
»Das heißt, du hast keinen Zugang?«, fragte er eine Spur schärfer. Überrascht sah ich ihn an, sanfter fuhr er fort: »Du könntest dir auch keinen Zugang verschaffen, selbst wenn du wolltest?«
»Was ist das für eine Frage?« Seine insistierende Art verunsicherte mich.
»Du bist Pascals Frau, seine nächste Angehörige. Du hast das Recht, sein Haus zu betreten, wann und so oft du willst. Im Gegensatz zu Stein brauchst du
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