Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Pascals Grundstück beschattete. Die Vorboten des Herbstes hatten die Blätter des Apfelbaumes gelb, die Äpfel rotbackig werden lassen. Das Gras hatte nicht mehr das fette Grün eines Sommerrasens mit Klee und Löwenzahn, die Wiese wirkte ausgelaugt, die Farbe stumpf. Ich war froh, den Schal mitgenommen zu haben, und wickelte mich hinein.
»Es ist kühl geworden.«
»Die richtige Atmosphäre für ein Verhör.« Ich zeigte zur Marmorbank unter der Kastanie.
»Ich dachte, ich hätte Sie überzeugt, dass ich nicht Ihr Feind bin.« Er setzte sich, die Unterarme auf den Knien. »Ich ermittle in einer Angelegenheit, die so kompliziert ist, dass selbst wir Fachleute einige Zeit brauchten, Ihrem Mann auf die Schliche zu kommen.« Er hob den Blick, als erwarte er einen Einwand von mir.
Pascal ist zu schlau für euch alle, dachte ich, er war auch schlauer als ich. Er hat mir drei Jahre lang ein falsches Leben vorgegaukelt, hat mich in sich verliebt gemacht, mir Treue versprochen und während der ganzen Zeit verschwiegen, dass er Vater eines Jungen war, den er liebte und der seinen Vater braucht. Mich interessierte der Fall nicht, auf den Stein zu sprechen kam, mich interessierten die Beweise nicht, die er brauchte, um Pascal die Schlinge um den Hals zu legen. In diesen Minuten wäre ich froh gewesen, wenn er die Papiere endlich gefunden hätte, damit das Lügengebilde, das Pascal um sich errichtet hatte, zusammenbrechen würde. Erst dann würde man mich in Ruhe lassen, und ich könnte in ein neues Leben entkommen.
»Das Bundesaufsichtsamt begann gegen Ihren Mann zu ermitteln, nachdem seine Firma mit einem angeblichen Großauftrag aus Australien an die Öffentlichkeit ging«, sagte Stein. »In der Mitteilung hieß es, die australische Firma habe eine neue Methode zur Installation von Firewalls auf PetCards entwickelt, deren Lizenz Zuermatt erworben hatte. Voraussichtlicher Jahresumsatz: dreiundvierzig Millionen Dollar.«
Hundertzwanzig Millionen, dreiundvierzig Millionen, dachte ich, es machte schon keinen Unterschied mehr.
»Dieser Vertrag kam nie zustande«, fuhr er fort. »Ihr Mann erzielte den Gewinn aber trotzdem durch einen Hedgefonds-Vertrag.«
»Kommen Sie mit.« Abrupt stand ich auf.
»Wohin?« Etwas irritiert erhob er sich auch.
»Ich verstehe nichts von dem, was Sie erzählen. Ich würde die Unterlagen, die Sie suchen, nicht erkennen, selbst wenn ich sie in der Hand hielte. Ich kann Ihnen also nicht helfen. Sie müssen sich selbst helfen, Herr Stein.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Gehen wir hinein. Das wollen Sie doch. Zögern Sie nicht. Wir gehen rein, Sie suchen, was Sie brauchen, danach lassen Sie mich hoffentlich in Ruhe.«
»Das sollten Sie sich gut überlegen, Frau Zuermatt«, sagte er in verändertem Ton. »Tun Sie nichts, was Sie später bereuen könnten.«
»Was sind Sie denn für ein Schnüffler!« Mein Lachen war übertrieben. »Ich lasse Sie von der Leine, und Sie zieren sich?«
»Wenn Sie mich ohne Gerichtsbeschluss ins Haus lassen, muss ich meinen Kollegen verständigen, damit er bezeugt, dass Sie aus freiem Willen handeln, dass ich Sie zu nichts gezwungen, Ihnen nichts eingeredet habe.«
»Wollen Sie jetzt Ihre ganze Meute mit reinschleppen?« Ich wurde laut, weil mich die Situation überforderte. Meine Wut richtete sich gegen alle und alles, gegen den frühen Herbst, den verhangenen Himmel, vor allem gegen Pascal.
»Sollte ich im Haus etwas Belastendes finden, müsste mein Kollege den Fund bezeugen«, beharrte Stein. »Andernfalls könnten Sie später behaupten, ich hätte es Ihnen untergeschoben.«
Auf halbem Weg zum Eingang drehte ich mich um. »Halten Sie mich für fähig, so etwas zu tun?«
»Nein.« Er lächelte herzlich. »Aber ich kenne Dr. Hollmann, den Anwalt Ihres Mannes. Eine solche Vorgehensweise würde zu ihm passen.«
»Wie war der Name?« Ich blieb wie angewurzelt stehen.
»Welcher Name?«
»Der des Anwalts.«
»Hollmann. Er vertritt Ihren Mann seit vielen Jahren. Kennen Sie ihn?«
»Nein, ich nicht. David hat …« Ich unterbrach mich.
»Wer ist David?«
Sollte ich ihn wissen lassen, dass David mir nicht irgendeinen Anwalt empfohlen hatte, sondern ausgerechnet Pascals Rechtsbeistand?
»Ein Bekannter.« Ich ging weiter. So hilfsbereit mir David bis jetzt erschienen war, begriff ich die Rolle plötzlich nicht mehr, die er spielte. Wieso hatte er ohne mein Wissen mit Pascals Anwalt geredet?
»Also schön, holen Sie Ihren Hilfssheriff«, sagte ich, nahm
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