Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
holperigen Pflaster ein unangenehmes Geräusch. Ich hievte mein Gepäck in den Wagen, sprang hinein und fand den Rückwärtsgang nicht gleich. Das Getriebe knirschte so hässlich, dass Passanten mit alarmierten Gesichtern stehen blieben.
Ich kannte mich in Paris nicht aus, war überfordert vom Verkehr in den verwinkelten Gassen, erreichte aber den Fuß des Berges und reihte mich auf dem Boulevard de Clichy in die rechte Spur ein. Ich erkannte Place Pigalle mit ihren Sexshops und Bars und fuhr die sündige Meile in westlicher Richtung. Monsieur Albert hatte mir eine Straßenkarte mitgegeben, ich breitete sie auf dem Beifahrersitz aus. Hinter mir hupte einer, weil ich die Abbiegespur blockierte, ich scherte aus, jetzt hupte mich der von links an. Hoffnungsvoll spähte ich zu den Wegweisern hoch; was erwartete ich dort zu lesen – kürzeste Strecke zur Côte d’Azur?
Am erstbesten Punkt, an dem man ungestraft halten konnte, parkte ich und rannte in den nächsten Handyshop.
»GPS?«, sagte ich zum Verkäufer.
Kein Kunde war im Laden, der Mann döste vor sich hin. Er hatte einen schwarzen Bart und trug ein bunt gemustertes Hemd.
»Haben Sie ein GPS für mich?«, versuchte ich es in holprigem Französisch.
Der Verkäufer sprach die Landessprache scheinbar schlechter als ich und antwortete in einem Kauderwelsch, das er sich für Touristen zurechtgelegt hatte.
»Wie heißt dieses Ding bei euch, wenn man im Auto sitzt, und der Satellit sagt, wo man hinmuss?«
»Satellit, ah yes.« Er präsentierte mir ein Mobiltelefon.
»Nein, nein!« Ich beschrieb es mit Händen und Füßen, rief immer wieder »GPS«.
Endlich begriff er etwas. »SDL?« Er zeigte zum Himmel.
»SDL?« Ich folgte seinem Fingerzeig. Dort oben drehte sich nur der Ventilator. »Ich brauche ein GPS!«
»Non, Madame.« Er wandte sich zum Regal und nahm ein verpacktes Gerät heraus. »SDL – système de localisation. «
Erleichtert erkannte ich eine bekannte Marke und nickte. »Genau das suche ich!«
Er forderte einen höheren Preis als den, der auf der Packung stand, ich fürchtete zeitraubendes Feilschen und bezahlte anstandslos. Zurück im Auto, verwirrt von Kabeln und Plastikteilen, bereute ich meine Voreiligkeit. Ich hätte mir das Ding gleich montieren lassen sollen. Immerhin schaffte ich es, das SDL mit dem Strom aus dem Zigarettenanzünder in Gang zu kriegen, und wartete auf ein Satellitensignal. Wieso hatte ich keinen Flug gebucht? Ich hätte mich im Taxi zum Airport fahren lassen, gemütlich einchecken können und wäre eine Stunde später am Mittelmeer gelandet. Stattdessen hatte ich bereits zwei Stunden vertan und stand immer noch im Verkehrschaos von Paris.
Im Rückspiegel sah ich, dass ein Polizist sich näherte. Ich wollte einer Auseinandersetzung entgehen, startete den Wagen und fuhr los. Da mein GPS sich weiterhin weigerte, mich zu beraten, blieb ich auf dem großen Boulevard. Nach einer Weile kam es mir vor, als ob die Wahrzeichen von Paris häufiger würden. Ich fuhr demnach nicht an die Peripherie, sondern näherte mich der Innenstadt.
»Mach schon, komm schon!«, versuchte ich das Kästchen mit dem Bildschirm zu animieren.
Immer weiter riss mich der Strom der Autos mit sich fort. Der Anblick, der mich an der nächsten Ampel erwartete, räumte alle Zweifel aus: Ich rollte auf den Arc de Triomphe zu, war im Herzen von Paris gelandet. Sternförmig näherten sich Verkehrsströme von allen Seiten.
»Bis hierher und nicht weiter«, sagte ich, fuhr an den Prunkbogen heran und stellte den Motor ab. An dieser berühmtesten Kreuzung aller Kreuzungen wollte ich die Hilfe aus dem Himmel abwarten. Irgendein Satellit sollte sich meiner erbarmen und mir den Weg weisen.
»Bring mich nach Süden, Schätzchen«, sagte ich zum SDL.
Nach fünfzig Metern fahren Sie geradeaus über den Kreisverkehr , antwortete eine männliche Computerstimme.
»Das lässt sich hören!« Ich startete und fuhr weiter. »Wie heißt du, mein Freund?«
Bleiben Sie auf der linken Spur.
»Du willst mir deinen Namen erst verraten, wenn wir uns besser kennen? Das verstehe ich.« Ich setzte den Blinker.
Ausfahrt vor Ihnen. Nehmen Sie die Ausfahrt.
»Worauf du dich verlassen kannst.« Ich folgte den Anweisungen meines neuen Freundes.
»Ich werde dich Pierre nennen, bist du damit einverstanden?«
Biegen Sie rechts ab. Dann fahren Sie auf die Autobahn.
»Zu Befehl, Pierre. Es ist nett, ein wenig Männerbegleitung zu haben.« Ich grinste. »Warst du schon mal an der
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