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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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im Moment nichts sehnlicher gewünscht als einen Menschen, dem ich trauen konnte. Aber nicht ihm, nicht David! »Okay, du hast mich gewarnt. Jetzt kannst du wieder gehen.«
    »Tony, es gießt in Strömen.«
    Ich betrachtete sein nasses Haar; plötzlich hörte ich es auf das Dach des Turmes prasseln. Unter der Dusche war mir davon nichts aufgefallen. »Ich gehe essen.« Ich stand auf. »Du hast leider nicht die entsprechende Garderobe, um mich zu begleiten.«
    »Mach nur deine Witze.« Er wischte sich das Wasser von der Stirn. »Dass du mich nicht mehr magst, nehme ich dir nicht übel. Aber muss ich deswegen verhungern? Ich habe den ganzen Tag im Auto gesessen.«
    »Es hat dich niemand gezwungen!«
    »Musst du unbedingt runtergehen?« Er setzte den Hundeblick auf. »Könntest du nicht eine Kleinigkeit aufs Zimmer bestellen?«
    »Du spinnst wohl! Ich soll meinen Spitzel auch noch bewirten? Vielleicht bist du ja derjenige, vor dem ich mich in Acht nehmen sollte!«
    »Du kannst mich durchsuchen, wenn du willst.« Ein missglücktes Lächeln. »Ich bin gänzlich ungefährlich.«
    Am liebsten hätte ich ihn hinausgeworfen. Doch so verrückt es war, ich freute mich, Gesellschaft zu haben. Es lag noch nicht lange zurück, da hatte ich diesen Mann gemocht. Ich glaubte ihm nicht, vertraute ihm nicht, doch wenn ich ihn ansah, tat er mir leid.
    »Nach dem Essen gehst du sofort.«
    »Versprochen.« Seine Augen verrieten, wie erleichtert er war.
    »Das ist ein Einzelzimmer. Ich kann nicht für zwei Personen bestellen.«
    »Dann wirst du eben einen ziemlich großen Hunger haben müssen.« Er zog den nassen Mantel aus. »Darf ich mal ins Bad?«
    Während er verschwand, wählte ich die Nummer des Restaurants. »Ich würde gern etwas für die Nummer dreizehn bestellen.«
    »Cérteinement, Madame«, antwortete eine höfliche Stimme. »Darf ich Ihnen unser Fünfgängemenü empfehlen?«
    »Fünf Gänge? Das hört sich gut an.«
    »Wir beginnen mit einer Tomatensuppe mit Trüffelravioli, danach ein kalter Vorspeisenteller mit Spezialitäten der Region.«
    Ich wählte die Haupt- und Nachspeise und schaute aus dem Fenster. Irgendwo in Frankreich, dachte ich, im Turmzimmer eines Schlosses, sitzt eine müde Kanadierin und hat einen Mann im Bad. Es klang weit romantischer, als es war.

28
    Während ich mich hungrig über das Entrecote hermachte und neidisch jeden Bissen zählte, den David davon abschnitt, merkte ich zugleich, wie ich mich entspannte. David und ich saßen traulich auf dem Bett meines winzigen Zimmers, der Regen lief an den Fensterscheiben herab. Aus dem kalten Nieseln war ein Herbstregen geworden; ich hatte eine Wolldecke über meine Beine gelegt. Ich fand Davids Verhalten doppelzüngig und armselig, und doch konnte ich ihn nicht in Bausch und Bogen verachten. Er war schwach, er tarnte seine Schwäche mit Smartheit, trotzdem stimmte die Chemie zwischen uns.
    Das Essen war mit einem Serviertisch hochgeschickt worden, der die Köstlichkeiten aber nicht alle fassen konnte; selbst auf dem Fensterbrett stand Geschirr. Nachdem der Hotelangestellte das Zimmer verlassen hatte, war David aus dem Bad gekommen. Ich hatte auf den reich gedeckten Tisch gezeigt.
    »Wenn ich dir was abgeben soll, habe ich eine Bedingung: Kein Wort über Pascal, die Zuermatts, kein Wort über die ganze Angelegenheit, bis wir aufgegessen haben.«
    Er hatte zugestimmt. Jetzt teilten wir uns bereits den dritten Gang. Das Fleisch war ein Gedicht, die grünen Bohnen schwammen in Knoblauchöl, und die gratinierten Kartoffeln zergingen auf der Zunge. Ich hatte eine Flasche Wein bestellt und staunte, wie schnell sich mein Glas leerte, während David nur wenig trank. Das Thema Pascal auszusparen stellte sich als schwieriger heraus als erwartet. So gut wie alles, was David und mich miteinander verband, hing mit den Zuermatts zusammen. Worüber konnten wir reden – über Frankreich, das Wetter, den Herbst?
    »Wohin, glauben deine Auftraggeber eigentlich, dass ich unterwegs bin?« Ich brach meine eigenen Spielregeln.
    »Es ist offensichtlich, dass du nach Süden fährst.«
    »Beunruhigt sie das?«
    »Was willst du in Südfrankreich, Tony?«
    »Ich fahre nach Nizza, wo ich mit meiner Tante verabredet bin.«
    Unser merkwürdiges Abendessen nahm die Form eines Verhörs an; wir versuchten einander auszuhorchen. War David wirklich gekommen, um mich zu warnen, oder wollte er mich bloß aufhalten? Sollte er mich daran hindern, nach La Cébette zu gelangen? Wie würde er das

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