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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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sich zu guter Letzt doch ein.
    »Ist hier noch ein Platz frei?« Ray kam zwischen den Tischen auf uns zu, quittierte Doras »Hallo und herzlich willkommen!« mit einem Lächeln und setzte sich.
    Ich freute mich so sehr über sein Auftauchen, dass ich seinen Arm drückte und ihm das erste Glas eingoss. »Haben Sie ein Zimmer gefunden?«
    »War gar nicht einfach. Im Herbst kommen die Pensionisten wie Zugvögel nach Südfrankreich.«
    »Haben Sie Ihren Flug schon gebucht?«
    Er nickte und stieß mit Dora und Ernie an. Ray brauchte nichts zu essen zu bestellen; von dem Fleisch war einiges übrig geblieben. Als Nachtisch wollten wir Tarte Citron. Gerade als serviert wurde, ging die Tür auf, jemand schleppte einen Kontrabass herein. Die Gäste applaudierten der Band, sie musste hier bekannt sein. Kurz darauf legten die Jungs los, wobei der Junge am Klavier fast in Doras Alter war. Sie spielten mit Verve, unüberhörbar ein Touristenprogramm. Es überraschte mich nicht, als Dora, nachdem wir gegessen hatten, aufstand, zur Combo ging und mit vom Wein geröteten Wangen fragte: »Kennt ihr La Cucarach a ?«
    Wunschgemäß erklang der Evergreen, Dora stellte sich in Positur. Ich sah Ernie an, er wäre gern in ein Mauseloch gekrochen, doch die anderen Gäste empfanden Doras Auftritt keineswegs als peinlich. Ihr Mut wurde beklatscht, von draußen kamen Gäste herein, um zuzuhören. Gerührt beobachtete ich meine alte Tante, die sich in den Hüften wiegte und dabei unglaublich jung wirkte. Ihre Stimme klang brüchig, was ihrer Leidenschaft keinen Abbruch tat. Mit einem Seitenblick prüfte ich, wie Ray die Darbietung aufnahm.
    »La Cucaracha, la Cucaracha«, sang der Ermittler vom Betrugsdezernat leise mit. Er hatte einen Zahnstocher zwischen den Lippen.

32
    Zu viert standen wir vor dem Fahrstuhl. Ernie hatte zu tief in den Calvados geschaut, Dora reichte ihm ihren stützenden Arm. Im Restaurant saßen nur noch ein paar späte Gäste, draußen fuhren die Musiker ab.
    »Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?« Rays Wangen waren gerötet.
    »Kommen Sie mit rauf zu mir?« Ich nahm an, dass er sich von mir verabschieden wollte.
    »Hab ich’s mir doch gedacht!«, kicherte Dora. Sie erntete einen amüsierten Blick des Ermittlers.
    Im ersten Stock sagten wir einander Gute Nacht. Ray und ich gingen nach drüben. Ich schloss die Tür, mein Blick fiel auf das zerwühlte Bett, meine persönlichen Gegenstände im Bad, alles wirkte unerwartet privat.
    »Was werden Sie als Nächstes unternehmen?« Ray setzte sich auf den einzigen Stuhl.
    »Die Zeit hier genießen«, antwortete ich harmlos, fürchtete aber, meine Absicht, nach La Cébette zu fahren, stehe mir auf die Stirn geschrieben. Mir fiel ein, dass ich mit Dora nichts für den kommenden Tag vereinbart hatte. Sie würde sich wun dern, wenn ich nicht zum Frühstück erschien. »Und Sie, Ray?«
    »Alles geht weiter wie immer.« Er saß nur da. Der Profi, der mit allen Wassern gewaschene Detektiv wusste nicht, wie er Adieu sagen sollte.
    »Es war schön, mit Ihnen durch die Landschaft zu gondeln. Was geschieht mit dem Motorrad?«
    »Ich gebe es am Flughafen ab.« Das wäre der Moment gewesen, Abschied zu nehmen, aber Ray blieb sitzen.
    »Wollen Sie noch etwas trinken?«
    »Haben Sie was da?«
    »Es gibt keine Mini-Bar.« Ohne Ziel ging ich zur Balkontür, öffnete sie, ein Windstoß drang herein.
    »Nachts wird es schon ziemlich kühl.« Er streckte die Beine aus.
    Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm mein Vorhaben verschwieg. »Ich hole uns was zu trinken.« Als ich losging, stieß ich mir den Zeh am Bettfuß. Es tat höllisch weh, ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
    »Bleiben Sie, ich mach das schon.« Ray hievte sich vom Stuhl hoch. »Halten Sie Ihren Zeh in kaltes Wasser.«
    Er verließ das Zimmer. Ich ließ Wasser ins Bidet, zog den Strumpf aus und kühlte meinen Zeh. Ein Fuß im Bidet, ein Fuß auf dem Boden, die Fliesen fühlten sich kalt an. Mein Zeh wurde blau, tat aber nicht mehr weh.
    Ray stand in der Badezimmertür, ohne dass ich ihn kommen gehört hatte. Er hielt eine Flasche Calvados hoch.
    »Wo haben Sie die her?«
    »Aus der Bar.« Er legte den Kopf schief. »Kommen Sie raus, oder soll ich zu Ihnen reinkommen?«
    Ich hob den Fuß aus dem Bidet.
    »Haben Sie Gläser?« Er nahm ungeniert auf dem Bett Platz.
    »Nur das hier.« Ich befreite die Zahnputzbecher aus der Plastikverpackung.
    »In Frankreich hat man eben Stil.« Er grinste und goss ein.
    Ich

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