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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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erwartete, ich würde es nicht mit leerem Magen durchstehen müssen. »Bring es hinter dich«, flüsterte ich.
    »Pardon, Madame?«
    »Nichts.« Ich zahlte die Rechnung.
    »Ich bezweifle, dass jemand drüben ist«, sagte der junge Mann. »Ich habe die Herrschaften dieses Jahr noch gar nicht gesehen.« Er gab mir das Wechselgeld.
    »Danke.« Ich stieß die Tür auf.
    Den Rest der Strecke saß ich kerzengerade im Auto und erwartete, dass die Kapelle auftauchte. Als ich sie am Straßenrand entdeckte, war es bloß eine Marienstatue in einer Nische. Licht über Maria : Da war es wieder. Von der Asphaltstraße bog ich auf einen Schotterweg, fuhr im Schritttempo weiter, im trüben Morgenlicht erkannte ich ein Haus. Ich hielt vor dem Tor. Der klei nere Flügel stand offen, nicht, als ob jemand erwartet würde, eher als hätte der Wind ihn aufgestoßen. Während ich das Grundstück betrat, bemerkte ich rechts und links zwei kleinere Häuser, sie flankierten die Villa.
    Pascals Haus war ein Steinbau, aus dem neunzehnten Jahrhundert vielleicht, nicht protzig wie Villen in der Stadt, eher der Stammsitz einer Familie von Landadeligen. Reich, aber unauffällig, gediegen und doch bodenständig. Das Grundstück wirkte ungepflegt, alles strahlte Verlassenheit aus. Ich erreichte die Terrasse, der Marmor war an vielen Stellen gesprungen. Hatte das Portal aus der Entfernung elegant gewirkt, sah ich nun: Die Farbe war abgeblättert. Risse durchzogen die Mauer, wie verwehte Boten des letzten Sommers lagen Blätter da. Es gab keine Klingel, nur einen bronzenen Türklopfer.
    Ich ging mit langsamen Schritten um das Haus. Die Fenster waren nicht vergittert, woraus ich schloss, in der Gegend brauchte man vor Dieben keine Angst zu haben. Und doch war es seltsam: Ein einsames Haus, das die Aura des Reichtums besaß, in einer abgelegenen Gegend – lud das nicht geradezu zum Einbruch ein? Die Seitenfront endete in einer Pergola. Ein Steinofen weckte die Vorstellung von Sommerabenden, an denen Brot gebacken wurde oder Pizza; bei einem schönen Landwein stieß man auf das Leben an. Nicht hier, dachte ich. Das war kein Haus, in dem Glück gesucht wurde, dieses Haus diente einem besonderen Zweck. Es war zur Ausführung eines Planes erworben worden, sollte Zufluchtsort eines Betrügers sein. Ich ging zur Hintertür. Ähnlich wie in der Frankfurter Villa führte sie in die Küche. Ich drückte die Klinke, es war nicht abgesperrt.
    Ein quälender Laut fuhr mir durch alle Glieder, ich erschrak so heftig, dass ich keine weitere Bewegung wagte. Ich hatte die Tür geöffnet und den ersten Schritt in die Küche getan. Der Ton war unmenschlich hoch und laut, ich presste die Hände auf beide Ohren – Alarm! Wieso hatte ich nicht an eine Sicherheitsanlage gedacht? Deshalb gab es keine Gitter! Wie ein tapsiger Bär hatte ich mich benommen, nun ergriff ich die Flucht. Stürzte aus der Küche, rannte um die Villa, zum Eingang zurück, wollte klopfen und mich entschuldigen. Der schrille Ton zerriss die Stille des Waldes.
    Ich war nicht die Einzige, die das Geräusch aufgeschreckt hatte. Durch den Garten des Nachbarhauses näherte sich eine Frau. Erstaunlich, wie ruhig sie herankam. Hätte ich nicht ein Einbrecher sein können? Die Frau war zierlich, hatte rötlich braunes Haar und eine geschmeidige Figur.
    »Es tut mir leid!«, rief ich ihr entgegen. »Ich habe die Tür geöffnet und dabei …«
    Sie bedeutete mir mit einer Geste, dass sie mich bei dem Lärm nicht verstand. Wir begegneten uns an der Grundgrenze, sie lief an mir vorbei, einen Schlüsselbund in der Hand. Kaum war sie durch die Vordertür im Haus verschwunden, endete der Alarm. Die Stille war wohltuend. Die Frau kam zurück, ich ging ihr entgegen.
    »Vielen Dank. Verzeihen Sie nochmals. Ich bin Antonia Zuermatt.«
    Keine Überraschung in ihrem Gesicht, keine Frage. »San drine«, antwortete sie.
    »Sie sind die Nachbarin der Zuermatts?« Sie nickte. »Ich hatte gehofft, jemanden anzutreffen.«
    »Sie haben abgesagt.«
    »Wer hat abgesagt?«
    »Madame Zuermatt.« Sie schaute zum Auto, als vergewissere sie sich, dass ich allein war.
    »Und Pascal – ihr Sohn? Ist er hier gewesen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Nicht so, als ob hier ein Geheimnis zu lüften wäre; sie schüttelte nur den Kopf. »Es ist niemand da.«
    »Sie kennen Pascal?« Ich lächelte. »Natürlich.«
    »Wir sind schließlich Nachbarn.«
    »Wann war er das letzte Mal hier?« Auf ihr Zögern setzte ich rasch hinzu: »Antonia – Tony,

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