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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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das alte Foto, das dich in Rom zeigt, wusste ich …«
    »Was? Dass du mit mir schlafen wolltest?«
    Er lachte. »Dass ich diese Frau wiederfinden wollte. Und jetzt ist sie da.«
    Sie nahm einen weiteren Schluck Wein, schaute in die Flammen. »Was empfindest du, wenn du an Livia denkst?«
    »Offen gestanden, habe ich bislang nicht an sie gedacht. Hast du etwa den ganzen Tag über an Frederic gedacht?« Er sah sie so entsetzt an, dass sie nun auch lachen musste. »Nein. Nein, wirklich nicht. Aber ich denke jetzt an ihn. Ich frage mich, was ich ihm sagen werde.«
    »Am besten die Wahrheit.«
    »Wirst du Livia die Wahrheit sagen?«
    »Ja.«
    »Was wirst du sagen?«
    »Dass ich dich liebe. Dass ich sie nie geliebt habe.«
    Sie schluckte. »Ich glaube, ich habe Frederic auch nie geliebt«, sagte sie leise. Sie seufzte tief. Was sie nun fühlte, dachte und auch aussprach, hatte er nicht verdient, das wusste sie. Dennoch war es die Wahrheit.
    »Er war da, als ich einen Menschen brauchte. An einem sehr einsamen und traurigen Punkt meines Lebens war er da. Nach Tommis Tod und als Michael sozusagen bei Nacht und Nebel verschwunden war. Er war verständnisvoll, fürsorglich. Er liebte mich. Er gab mir Wärme und Geborgenheit. Er war wie ein Hafen, in den ich flüchten konnte. Aber ich liebte ihn nicht. Und deshalb wohl konnte ich auch nicht wirklich aus der Starre auftauchen, in die mich Tommis Tod gestürzt hatte. Ich war immer noch einsam, nur spürte ich es nicht mehr so stark.« Sie sah Nathan an. »Glaubst du, dass das so ist? Dass wir an der Seite eines Menschen, den wir nicht lieben, einsam bleiben?«
    »Zumindest dann, wenn wir vorher schon einsam waren, ja. Etwas Wichtiges in uns wird dann nicht berührt. Wir sind nicht mehr allein, aber wir sind einsam.«
    »Ich war wie tot vor Einsamkeit«, sagte Virginia, »es wurde erst nach Kims Geburt etwas besser. Aber sie ist ein Kind. Sie konnte mir nie ein Partner sein.«
    Zärtlich strich er ihr mit dem Finger über die Wange. Sie hatte in den letzten Stunden gemerkt, wie sehr sie die Sanftheit seiner großen, kräftigen Hände liebte.
    »Aber jetzt bin ich da«, flüsterte er. Vorsichtig schob er die Gläser beiseite, drängte Virginia langsam mit seinem Gewicht zu Boden. Sie seufzte voller Behagen und Verlangen. Sie begannen einander im warmen Schein der tanzenden Flammen zu lieben, während es draußen Nacht über den Inseln wurde.
     

Sonntag, 3. September
     
    1
     
    Er fragte sich, weshalb er nicht früher darauf gekommen war.
    Er hatte in der Nacht von Samstag auf Sonntag zum ersten Mal seit jenem alles verändernden Donnerstag tief geschlafen – nicht, weil er sich plötzlich ruhiger oder zuversichtlicher gefühlt hätte, aber die Erschöpfung war so groß geworden, dass ihn selbst Angst und Unruhe nicht länger wachzuhalten vermochten. Vielleicht lag es auch daran, dass er im Lauf des Abends ein paar Schnäpse zu viel getrunken hatte, jedenfalls war er plötzlich weg gewesen, und als er erwachte, war es schon hell draußen, und ein dünner Regen sprühte gegen die Fensterscheibe seines Schlafzimmers.
    Er setzte sich auf und dachte: Skye. Was, wenn sie nach Skye gefahren ist?
    Virginia liebte die Insel, und sie liebte das kleine Haus dort mit dem großen, wilden Garten. Wenn sie verwirrt oder verstört war – und irgendetwas musste ja los sein mit ihr, sonst hätte sie diese seltsame Flucht nicht angetreten –, konnte man sich durchaus vorstellen, dass sie sich an einen Ort zurückziehen würde, der ihr schon immer viel bedeutet hatte.
    Frederic stand auf, zog seinen Morgenmantel an. Er spürte einen stechenden Schmerz in seinem Kopf, was darauf hindeutete, dass er tatsächlich dem Schnaps zu sehr zugesprochen hatte.
    Den Samstag hatte er zwischen Wut, Verzweiflung und schließlich in einer Art Resignation verbracht. Am Vormittag war er auf seinem Posten am Telefon der Walkers gewesen, aber schließlich hatte er sich derartig geschämt, dass er das Verwalterhaus verlassen hatte und mit Kim in den Tierpark gefahren war. Das Kind spürte, dass etwas nicht stimmte, obwohl sämtliche Erwachsenen ständig versicherten, es sei alles in Ordnung. Aber die Tiere heiterten es auf. Es war wolkig und kühl, aber noch nicht regnerisch gewesen, und Frederic hatte es geschafft, sich für eine Weile auf die Begeisterung seiner Tochter konzentrieren zu können. Am Nachmittag war er mit ihr zu McDonald's gegangen, sie hatten Big Mäcs gegessen und Schokoladenmilchshakes

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