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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sie sich vor Virginia und Nathan her zum Pförtnerhaus schleppte. In der hell erleuchteten Haustür stand Livia. Sie starrte ihren Mann an. Sie war totenblass.
    »Nathan«, sagte sie.
    Er zog nur die Augenbrauen hoch. Virginia hielt den Kopf gesenkt. Sie wagte es nicht, Livia anzusehen.
    »Das ist jetzt nicht der Moment zum Reden«, sagte Nathan sehr bestimmt, als Livia erneut den Mund öffnete. Sie zuckte zusammen, schwieg.
    Grace kam mit zwei großen Taschenlampen aus der Küche. »Die sind sehr stark. Damit müsste es gehen.«
    »Soll ich … mitkommen?«, fragte Livia leise.
    Nathan schüttelte den Kopf. »Bleib hier bei Grace. Kümmere dich um sie. Sie glüht ja vor Fieber. Virginia hat ihr Handy dabei. Wenn wir Hilfe brauchen, melden wir uns.«
    Wieder verstummte Livia. Die gräuliche Blässe ihrer Wangen vertiefte sich noch ein wenig. Wortlos und hilflos sah sie zu, wie ihr Mann und die andere Frau zwischen den Bäumen verschwanden.
    Grace, obwohl soeben noch so gereizt über die zögerliche Art der jungen Deutschen, legte ihr nun in einer mitfühlenden Geste den Arm um die Schultern.
    »Sie sind ja bleich wie der Tod«, sagte sie. »Ich glaube, Sie kippen mir gleich um. Wissen Sie was, Sie bekommen jetzt erst einmal einen Schnaps. Damit Sie wieder wie ein Mensch aussehen.«
    Livia wollte protestieren, aber Grace schüttelte den Kopf.
    »Nein, Sie tun, was ich sage. Wir haben da etwas, darauf schwört mein Jack. Gibt einem die Kraft zurück, sagt er immer.« Sie lächelte etwas schief und voller Mitgefühl. »Und Kraft werden Sie brauchen in der nächsten Zeit, das ist mal sicher!«
     
    9
     
    Nebeneinander her stolperten sie durch den Park. Zu Anfang waren sie über die breiten, sandigen Wege, die Virginia allmorgendlich entlangjoggte, gut vorangekommen, hatten mit ihren Lampen rechts und links in die Büsche geleuchtet und Kims Namen gerufen, aber irgendwann war Virginia schwer atmend stehen geblieben.
    »Wenn sie sich wirklich versteckt«, sagte sie, »dann wahrscheinlich nicht hier, wo man sie leicht finden könnte. Dann ist sie bestimmt tiefer in den Park hineingelaufen, dorthin, wo sie auch immer spielt.«
    »Dann müssen wir da auch hin«, sagte Nathan. Er nahm ihre Hand. »Komm. Versuch dich an die Orte zu erinnern, die sie gern aufsucht, und dort probieren wir dann unser Glück.«
    Die Orte, die Kim gern aufsuchte, waren nur über Trampelpfade zu erreichen, die zum Teil so von Gestrüpp und Gebüsch zugewuchert waren, dass sie beinahe nicht mehr erkennbar waren. Im gespenstisch anmutenden Lichtkegel der Taschenlampen schien die Wildnis jedes Durchkommen zu verhindern, aber irgendwie kamen Virginia und Nathan voran, wobei sie sich immer wieder mit den Haaren in Zweigen verfingen, mit den Ärmeln ihrer Pullover an Dornenranken hängen blieben oder über Wurzelwerk stolperten.
    »Das ist hier wirklich ein Paradies für Kinder«, murmelte Nathan einmal, um gleich darauf einen leisen Schmerzenslaut von sich zu geben, als ihm ein Zweig durch das Gesicht peitschte. »Verdammt, fünf Köpfe kleiner, und man käme hier ungeschorener durch. Wir werden nachher aussehen, als wären wir in eine Schlägerei geraten!«
    Virginia wollte zu den Brombeerhecken, unter denen sich Kim ein kunstvoll verschlungenes Höhlensystem angelegt hatte, zu einem kleinen Steinbruch, in dem ihre Tochter eine Stadt für ihre Puppen gebaut hatte, zu einem Wäldchen, in dem Frederic im letzten Jahr eine Hängematte angebracht hatte. Sie kannte die Plätze gut, war oft dort gewesen, aber immer nur bei Tageslicht. Im Dunkeln schien alles verändert. Mehr als einmal blieb sie ratlos stehen, weil sie nicht mehr sicher war, welche Richtung sie einschlagen sollte. Zwischendurch rief sie wieder und wieder nach Kim.
    Aus dem dunklen, schweigenden Park kam keine Antwort.
    Sie erreichten die Brombeerhecken, leuchteten alles, so gut es ging, ab, fanden aber keine Spur von dem kleinen Mädchen. Auch an dem Steinbruch war sie nicht zu entdecken. Virginia sank auf einen Felsen, vergrub für einen Moment das Gesicht in den Händen.
    »Sie ist weg, Nathan. Sie ist weg, und ich habe das Gefühl, dass …«
    Er kauerte sich vor sie, zog die Hände von ihrem Gesicht. »Welches Gefühl?«
    »Dass er sie hat! Dieser Perverse! Nathan«, sie sprang auf, »wir vertun hier unsere Zeit! Wir müssen sofort zur Polizei! Sie ist nicht hier im Park. Warum sollte sie hier herumirren?«
    »Weil sie verstört und durcheinander ist«, sagte Nathan. Nach einer kurzen

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