Das Echo der Schuld
einer ihm fremden Sprache ausdrückte, mochten ihm gewisse Feinheiten nicht geläufig sein. Es bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass die Geschichte mit Virginia für ihn nicht den gleichen Stellenwert besaß wie für sie. Es mochte für den Fall unerheblich sein, aber Baker war daran gewöhnt, sich derlei Details zu merken.
»Ich verstehe«, sagte er.
Er überlegte einen Moment und fuhr dann fort: »Als Sie merkten, dass Ihr Wagen nicht ansprang, dass Sie also Ihren Auftrag, Kim Quentin von der Schule abzuholen, nicht erfüllen konnten, was haben Sie da gemacht?«
»Ich war ja auf dem Strandparkplatz drüben in New Hunstanton«, erklärte Moor, »und da gibt es zum Glück noch eine gute, altmodische Telefonzelle. Ein Handy besitze ich nicht mehr. Das ist zusammen mit meinem Schiff untergegangen.«
»Sie telefonierten?«
»Ja. Zuerst versuchte ich ein paar Mal, Virginia zu erreichen. Aber sowohl bei ihr daheim als auch auf ihrem Handy sprang immer nur der Anrufbeantworter an. Sie hatte an diesem Nachmittag eine Aussprache mit ihrem Mann. Sie wollte nicht gestört werden.«
»Verstehe«, sagte Baker noch einmal.
»Ja, und dann fiel mir nur noch dieses Verwalterehepaar ein, wobei ich ziemlich lange überlegen musste, wie die eigentlich heißen. Walker. Jack und Grace Walker. Ich wusste, dass Jack Walker in Plymouth war und dass Grace die Grippe hatte, aber was blieb mir übrig? Über die Auskunft bekam ich die Nummer. Ich verständigte Grace. Dann ging ich wieder zu meinem Auto und versuchte weiterhin, es zum Anspringen zu bewegen.«
»Wie viel Uhr war es, als Ihr Wagen ansprang? Als Ihnen der fremde Herr mit dem Starterkabel geholfen hatte?«
»Ich schätze, das war kurz vor sechs«, meinte Nathan.
»Sie fuhren dann nicht mehr zu der Schule in King's Lynn?«
»Nein. Natürlich nicht. Ich wäre wohl erst gegen sieben Uhr dort gewesen. Ich hoffte einfach, dass alles geklappt hätte und dass Kim längst daheim sei.«
»Wann erfuhren Sie, dass dem nicht so war?«
»Ziemlich spät am Abend. Von hier aus rief ich noch einmal bei Virginia an. Es war bestimmt schon halb elf. Sie war völlig aufgelöst und zunächst ziemlich aggressiv. Sie gab mir die Schuld an Kims Verschwinden.«
»Hm.« Baker wechselte abrupt das Thema. »Wie lange werden Sie in England bleiben, Mr. Moor?«
»Ist das wichtig?«
»Ich frage nur.«
»Ich weiß es noch nicht. Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, mir über meine Zukunft klar zu werden.«
Drei Wochen, dachte Baker, seit sein Schiff untergegangen ist. Und er hatte noch keine Gelegenheit, sich über seine Zukunft klar zu werden?
Vielleicht war er sich aber durchaus klar geworden. Und hatte auch schon eifrig daran gebastelt, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Er lebte im Augenblick offenbar auf Virginia Quentins Kosten. Er fuhr ihr Auto, und wahrscheinlich bezahlte sie auch seine Unterkunft in dem idyllischen Häuschen am Meer. Darüber hinaus war sie entschlossen, ihr Schicksal mit dem seinen zu verbinden. Kein schlechter Fang, den er da getätigt hatte.
Baker sagte sich jedoch auch, dass er vorsichtig sein musste, was Unterstellungen betraf. Langjährige Berufserfahrung hatte ihn gelehrt, dass die Dinge selten das waren, was sie zu sein schienen. Vielleicht liebte Nathan Moor Virginia Quentin wirklich. Die bloße Tatsache, dass ein Unfall ihn bettelarm gemacht hatte, musste nicht bedeuten, dass er mögliche Beziehungen nur unter dem Aspekt des Geldes sah. Man musste sich vor Klischees hüten. Häufig war alles etwas anders, als man dachte, und häufig war es vor allem ziemlich vielschichtig. Beinhaltete von diesem Aspekt ein wenig und von jenem auch.
Und möglicherweise hatte Nathans und Virginias Liebesgeschichte auch überhaupt nichts mit dem Verschwinden der kleinen Kim zu tun.
»Ihre Frau ist aber schon in Deutschland?«, hakte Baker noch einmal nach.
»Das weiß ich nicht genau. Sie ist jedenfalls abgereist, und ich vermute, dass sie versucht, nach Deutschland zu gelangen. Wo sie sich im Moment genau aufhält, kann ich Ihnen nicht sagen.«
Baker faltete seinen Zettel zusammen, schob ihn und seinen Kugelschreiber in die Innentasche seines Jacketts. Er stand auf.
»Das wäre erst einmal alles, Mr. Moor«, sagte er. »Ich muss Sie sicher nicht darauf hinweisen, dass Sie verpflichtet sind, mir alles zu sagen, was auch nur entfernt in einem Zusammenhang mit Kim Quentins Verschwinden stehen könnte. Also, wenn Ihnen noch etwas einfällt …«
»Dann wende
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