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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mutter hatte offenbar niemand sie verstanden.
    » Was?«, fragte Doris.
    »Da ist er«, wiederholte Janie, »da ist der Mann.«
    »Du lieber Himmel«, sagte Doris, »wo denn?«
    »Was hast du gesagt?«, fragte Stella.
    »Sie sieht den fremden Mann«, erklärte Doris, und plötzlich ging ein Ruck durch die ganze Gruppe. Janie bemerkte, dass Superintendent Bakers Gesicht auf einmal ganz dicht vor ihrem war. »Den Mann, der dich angesprochen hat? Er ist hier? Wo?«
    »Dort.« Sie wies in die Richtung, wo sie ihn sah. Es wimmelte von Menschen.
    »Welcher?«, fragte Stella wieder. Sie hatte einen völlig veränderten Gesichtsausdruck. Janie fragte sich plötzlich, ob sie wohl eine Pistole hatte, diese ziehen und den Mann hier vor aller Augen erschießen würde.
    »Dort«, wiederholte sie, »dort drüben. Neben dem großen, schwarzen Auto.«
    Endlich blickten alle Erwachsenen in die richtige Richtung.
    »Jack?«, flüsterte Mrs. Quentin entgeistert. »Du meinst doch nicht Jack? Jack Walker?«
    Im selben Moment sagte die Dünne mit dem kurzen Rock: »Das ist der Mann, der mir meine Tasche aufgehoben hat! In Hunstanton. Damals.«
    Und dann stürmten auch schon Superintendent Baker und Stella los, und ohne dass Janie hätte sagen können, woher, tauchten plötzlich zahlreiche uniformierte Polizisten auf. Wo hatten die vorher gesteckt?
    Janie schrie auf, drehte sich um und drückte das Gesicht gegen den Bauch ihrer Mutter, vergrub sich in dem dünnen Baumwollstoff des schwarzen T-Shirts, das Doris trug. Sie hatte entsetzliche Angst, sehen zu müssen, wie der Mann erschossen wurde. Erschossen, weil sie auf ihn gezeigt hatte.
    »Was ist denn? Was ist denn?«, hörte sie Doris wie aus weiter Ferne fragen.
    »Nicht schießen«, presste sie hervor.
    »Sie schießen nicht«, sagte Doris. Ihre Hand strich über das Haar ihrer Tochter. »Sie schießen nicht, keine Angst. Sie verhaften ihn. Sie verhaften ihn doch nur.«
    Janie begann haltlos zu weinen.
     
    2
     
    Es war eine jener Situationen, in denen Superintendent Baker sich tief im Innern wünschte, bestimmte Praktiken aus früheren Zeiten, da man die Folter zum Erzwingen von Geständnissen eingesetzt hatte, wären auch heute noch erlaubt.
    Natürlich hätte er das niemals laut gesagt. Er wagte nicht einmal, so etwas wirklich zu denken. Eher handelte es sich um bestimmte Impulse, die sich untergründig in ihm abspielten und denen er nachdrücklich verbot, sich allzu weit hervorzuwagen.
    Er und Stella waren seit nunmehr drei Stunden damit beschäftigt, Jack Walker zu verhören.
    Ein sympathischer älterer Mann. Er erschien zuverlässig, hilfsbereit und nett.
    Ein Mann, dachte Baker, dem ich meine Kinder wahrscheinlich ohne jeden Vorbehalt anvertraut hätte.
    Janie war sich absolut sicher gewesen. Jack Walker war der Mann, der sie im Zeitschriftenladen angesprochen hatte und mit zu sich nach Hause hatte nehmen wollen. Auch Liz Alby hatte ihn zweifelsfrei als einen Mann erkannt, der am fraglichen Tag in Hunstanton und zudem noch dicht hinter ihr und Sarah gewesen war. Baker hatte innerhalb einer Stunde einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss in den Händen gehalten, der seine Beamten zum Durchsuchen von Jack Walkers Haus berechtigte. Sie hatten nichts Aufsehenerregendes gefunden, hatten aber Walkers Computer beschlagnahmt. Zur Zeit bemühten sich Spezialisten um den Zugang. Baker war fast sicher, dass sie auf Kinderpornografie stoßen würden.
    Jack Walker, der die Quentins zum Friedhof gefahren hatte und später wieder erschienen war, um sie abzuholen, da Frederic Quentin in Sorge wegen des Parkplatzmangels gewesen war, stritt alles ab.
    Er kenne keine Janie Brown. Er habe nie ein Mädchen in einem Zeitschriftenladen angesprochen und ihm das Veranstalten einer Kinderparty in Aussicht gestellt. Er sei überhaupt in diesem betreffenden Geschäft nie gewesen.
    Baker hatte sich drohend vorgeneigt. »Nein? Dann müssen Sie eine Gegenüberstellung mit dem Inhaber des Ladens nicht fürchten, oder? Er könnte ja bestätigen, Sie nie gesehen zu haben!«
    Walker war zum ersten Mal eingeknickt. Beschwören könne er es nicht, dort nie gewesen zu sein. Natürlich kaufe er sich auch Zeitungen und Zeitschriften, mal hier, mal dort. Vielleicht auch in jenem Geschäft. Er habe nicht gewusst, dass das verboten sei.
    »Wo waren Sie am Montag, den siebten August?«, fragte Baker.
    Walker überlegte, hob dann in einer hilflosen Geste beide Arme. »Das weiß ich wirklich nicht mehr. Am siebten

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