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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Blumen, bunten Mosaiken und Straßenständen voll frischem Obst und Gemüse. Ohne Grundstücke voller Schutt und Asche oder zerlumpte Bettler, ohne Granateinschläge, ohne mit zum Gruß gereckten Armen, ohne Joch und Pfeile, die mit groben Strichen auf Wände gepinselt worden waren. Wir fuhren durch vornehme und elegante Viertel mit breiten Gehwegen aus Stein und herrschaftlichen Anwesen, die Statuen von Königen und Seefahrern bewachten. Wir kamen auch durch volkstümlichere Viertel mit verwinkelten, lärmend lauten Gassen, bunten Geranien und dem Geruch nach Sardinen. Ich war überrascht von der Erhabenheit des Tejo, den Schiffssirenen im Hafen und dem Quietschen der Straßenbahnen. Mich faszinierte Lissabon, eine Stadt, die sich weder im Krieg noch im Frieden befand: nervös, hektisch, pulsierend.
    Wir ließen die Stadtteile Alcântara und Santa Maria de Belém und seine Monumente hinter uns. Als wir über die Estrada Marginal am Meer entlangfuhren, peitschte das Wasser gegen die Scheiben. Zur Rechten säumten alte Villen den Weg. Sie waren mit schmiedeeisernen Gittern vor Eindringlingen geschützt, zwischen deren Stäben sich blühende Kletterpflanzen emporschlängelten. Alles erschien mir anders und sehenswert, aber möglicherweise in einem etwas anderen Sinn, als es den Anschein hatte. Ich war schon gewarnt: Das pittoreske Lissabon, das ich soeben durch die Fensterscheiben des Autos betrachtet hatte, war voller Spione. Das kleinste Gerücht hatte seinen Preis, und jeder, der zwei Ohren hatte, war ein potenzieller Informant, angefangen bei den hochrangigen Botschaftsangehörigen bis hin zu den Kellnern, Zimmermädchen, Taxifahrern. » Äußerste Vorsicht!«, lautete mal wieder die Devise.
    Im Hotel do Parque, einem wunderschönen Domizil mit überwiegend internationaler Klientel und mehr deutschen als englischen Gästen, hatte man mir ein Zimmer reserviert. Nicht weit von hier, ganz in der Nähe, im Hotel Palacio, war es genau andersherum. Und später, in den langen Nächten im Casino, versammelten sich sowieso alle unter einem Dach: In diesem theoretisch neutralen Land war der Krieg für das Spiel und das Glücksspiel nicht von Bedeutung. Kaum hielt das Auto, erschien sogleich ein uniformierter Page, um mir den Wagenschlag zu öffnen, während ein anderer sich um das Gepäck kümmerte. Ich betrat die Lobby, als würde ich meinen Fuß auf einen Teppich der Sicherheit und Sorglosigkeit setzen, und nahm die Sonnenbrille ab, die mich seit dem Verlassen des Zugs vor neugierigen Blicken geschützt hatte. Der glänzende Marmor beeindruckte mich nicht, auch nicht die dicken Teppiche oder die Samttapeten und schon gar nicht die Säulen, die bis zu den hohen, kathedralenartigen Decken reichten. Ich interessierte mich auch nicht für die eleganten Gäste, die vereinzelt oder in Gruppen lasen, sich unterhielten, einen Cocktail tranken oder einfach das Leben an sich vorüberziehen ließen. In einem solch prächtigen Ambiente war ich inzwischen darauf gedrillt, meiner Umgebung möglichst keine Beachtung zu schenken, sondern mich lediglich entschlossenen Schrittes an die Rezeption zur Anmeldung zu begeben.
    Ich aß allein im Restaurant des Hotels, anschließend verbrachte ich ein paar Stunden auf meinem Zimmer – auf dem Bett liegend und an die Decke starrend. Um Viertel vor sechs riss mich das Haustelefon aus meinen Gedanken. Ich ließ es dreimal klingeln, schluckte, hob den Hörer ab und antwortete. Und dann ging alles los.

50
    Meine Anweisungen hatte ich ein paar Tage zuvor in Madrid auf sehr unkonventionellem Weg erhalten. Zum ersten Mal erhielt ich sie nicht von Hillgarth, sondern von einer ihm unterstellten Person. Die Angestellte des Schönheits- und Friseursalons Rosa Zavala, in den ich jede Woche ging, führte mich unverzüglich zu einer der Kabinen weiter hinten, in denen die Behandlungen vorgenommen wurden. Von den drei vielfach verstellbaren Kosmetikstühlen war der rechte, der sich in fast horizontaler Position befand, bereits belegt, aber ich konnte das Gesicht der Frau nicht sehen. Um die Haare war nach Art eines Turbans ein Handtuch gewickelt, ein anderes verhüllte den Körper vom Dekolleté bis zu den Knien. Ihr Gesicht bedeckte eine breiige Maske, die lediglich den Mund und die – geschlossenen – Augen freiließ.
    Ich entkleidete mich hinter einem Wandschirm und setzte mich dann auf den Kosmetikstuhl daneben. Nachdem die Angestellte mich mittels eines Pedals in dieselbe liegende Stellung gebracht und

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