Das Echo der Traeume
mir ebenfalls eine Gesichtsmaske aufgelegt hatte, ging sie diskret hinaus und schloss die Tür hinter sich. Erst da ließ sich die Stimme an meiner Seite vernehmen.
» Es freut uns, dass Sie diese Mission nun doch übernehmen. Wir vertrauen auf Sie, wir glauben, dass Sie gute Arbeit leisten werden.«
Die Frau sprach, ohne ihre Haltung zu verändern, mit gedämpfter Stimme und einem starken englischen Akzent. Und im Plural, ebenso wie Hillgarth. Sie stellte sich jedoch nicht vor.
» Ich werde mich bemühen«, erwiderte ich und spähte aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber.
Dann hörte ich ein Feuerzeug klicken, und gleich darauf erfüllte ein vertrauter Geruch den Raum.
» Man hat uns direkt aus London um Verstärkung gebeten«, fuhr meine Nachbarin fort. » Es besteht der Verdacht, dass ein portugiesischer Mitarbeiter ein doppeltes Spiel spielt. Er ist kein Agent, pflegt aber eine ausgezeichnete Beziehung zu unserem diplomatischen Korps in Lissabon und betreibt verschiedene Geschäfte mit britischen Unternehmen. Dennoch gibt es Hinweise, dass er dabei ist, ähnliche Beziehungen zu den Deutschen aufzubauen.«
» Welche Art von Beziehungen?«
» Kommerzielle. Sehr wichtige Geschäfte, die vermutlich nicht nur den Deutschen nutzen, sondern auch die unseren boykottieren sollen. Genaues wissen wir nicht. Lebensmittel, Mineralien, vielleicht Waffen, jedenfalls kriegswichtige Produkte. Aber, wie ich sagte: Alles bewegt sich noch im Bereich der Spekulation.«
» Und was wäre meine Aufgabe?«
» Wir brauchen eine Ausländerin, die man keiner Beziehung zu den Briten verdächtigt. Eine Person, die aus einem mehr oder weniger neutralen Land kommt, die mit England überhaupt nichts zu tun hat und in einem ganz anderen Geschäftsbereich tätig ist als der bewusste Portugiese, die aber nach Lissabon reisen muss, um bestimmte Dinge einzukaufen. Und Sie entsprechen diesem Profil.«
» Dann soll ich nach Lissabon reisen, um Stoffe oder Ähnliches einzukaufen?«, fragte ich und warf erneut einen Blick zu meiner Nachbarin, die mich jedoch nicht ansah.
» Exakt. Stoffe und anderes Zubehör, das Sie für Ihre Arbeit benötigen«, bestätigte sie, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Seit ich gekommen war, lag sie in derselben Haltung da, mit geschlossenen Augen. » Sie reisen unter Ihrer Tarnung als Modeschneiderin auf der Suche nach Stoffen, die Sie im noch kriegsgeschädigten Spanien nicht bekommen.«
» Ich könnte sie mir aus Tanger schicken lassen …«, warf ich ein.
» Durchaus«, entgegnete sie, nachdem sie erneut an ihrer Zigarette gezogen und den Rauch ausgestoßen hatte. » Aber deshalb müssen Sie nicht andere Möglichkeiten verwerfen. Beispielsweise die Seiden aus Macao, der portugiesischen Kolonie in Asien. Einer der Bereiche, in dem unser Verdächtiger florierende Geschäfte tätigt, ist der Im- und Export von Textilien. Normalerweise verkauft er nur an Großhändler, nicht an Endabnehmer, aber bei Ihnen wird er eine Ausnahme machen.«
» Wie ist Ihnen das gelungen?«
» Dank einer Reihe geheimer Verbindungen, die verschiedene Bereiche umfasst: ein in unserer Firma ganz üblicher Vorgang, doch Details würden jetzt zu weit führen. Auf diese Weise werden Sie bei Ihrer Ankunft in Lissabon nicht nur frei von jeglichem Verdacht einer Affinität zu den Briten sein, sondern vielmehr die Rückendeckung von einigen Kontakten mit direkter Verbindung zu den Deutschen haben.«
Dieses weitläufige Netz von Beziehungen verwirrte mich, daher fragte ich lieber nicht weiter nach und hoffte stattdessen, dass die Unbekannte mir mehr Informationen und Hinweise liefern würde.
» Der Verdächtige heißt Manuel da Silva. Er ist ein tüchtiger Unternehmer mit vielfältigen Verbindungen und offenbar entschlossen, sein Vermögen in diesem Krieg zu mehren, selbst wenn er dafür seine bisherigen Freunde verraten muss. Er wird mit Ihnen Kontakt aufnehmen und Ihnen die besten Stoffe besorgen, die derzeit in Portugal erhältlich sind.«
» Spricht er Spanisch?«
» Fließend. Und Englisch. Vielleicht sogar Deutsch. Er spricht alle Sprachen, die er für seine Geschäfte braucht.«
» Und was erwartet man von mir?«
» Dass Sie sich in sein Leben einschleichen. Zeigen Sie sich von Ihrer bezauberndsten Seite, gewinnen Sie seine Sympathie, motivieren Sie ihn dazu, mit Ihnen auszugehen und vor allem Sie zu irgendeiner Zusammenkunft mit Deutschen einzuladen. Wenn Sie an die Deutschen herangekommen sind, sammeln Sie alle
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