Das Echo der Vergangenheit
kurz nach der ersten, dass die frühere Beule möglicherweise noch nicht ganz weg ist. Sie müssen sie jede Stunde wecken. Überprüfen Sie die Pupillen und die Reaktionen. Wenn sie nicht ganz wach wird, sich übergibt oder ihr schwindelig wird oder sie desorientiert ist, bringen Sie sie her.«
Desorientiert? Sie war erst zwei Jahre alt. Wie sollte sie da nicht desorientiert sein? Vielleicht erinnerte sie sich noch vom letzten Mal an ihn, als er sie aus ihrer Familie geholt hatte, aber wahrscheinlicher war, dass sie sich zu Tode erschrecken würde, wenn ein riesiger Kerl sie mitten in der Nacht wachrüttelte. »Ist gut. Autositz?«
»Wir halten am Ausgang einen für Sie bereit.«
»Danke.«
Schon bevor er vom Parkplatz fuhr, wusste er, dass er Annie nicht zu seinem leeren Haus bringen würde. Sofie konnte Nein sagen und vielleicht tat sie es auch, aber er fuhr trotzdem zur Villa. Das Haus lag im Dunkeln, aber aus dem kleinen Fenster im Schuppen drang Licht. Jemand war noch auf.
Er überlegte, ob er Annie im Auto lassen sollte, während er fragte, aber dann schalt er sich sofort für diesen Gedanken. Egal, wie sicher es schien, kein Ort war sicher genug. Er hielt sie an seine Brust gedrückt, während er zum Schuppen ging und klopfte.
Rese öffnete die Tür. Der Geruch von frischem Holz umgab sie und Späne davon hingen an ihrer Jeans. Den Stechbeitel hatte sie noch in der Hand.
Er schluckte. »Ich muss euch um einen Gefallen bitten.«
»Wie heißt sie?«
»Annie Price.« Lance und Sofie hatten an der Schulung für Pflegeeltern teilgenommen und waren inzwischen offiziell anerkannt, auch wenn Diego abgereist war, bevor die schriftliche Bestätigung eingetroffen war. Es gab noch andere, mit denen er Kontakt aufnehmen konnte, aber …
Rese warf den Beitel auf die Werkbank und klopfte sich die Holzspäne von der Hose. »Bring sie rein.«
Sie betraten das Haus durch die Küche und gingen durch den Flur bis ins Wohnzimmer. Rese warf einen Blick über ihre Schulter. »Warte hier. Ich sehe nach, ob Lance noch wach ist.«
Er bezweifelte es. Es hatte ihn schon überrascht, dass sie noch auf war. Am Fuß der Treppe wartete er, während sie auf dem Treppenabsatz an die erste Tür klopfte. Eine andere Tür ging auf und er hörte Sofie.
»Was ist los, Rese?«
Rese drehte sich um. »Matt ist da.«
»Was?«
»Er hat ein kleines Mädchen dabei ...«
Sofort erschien Sofie oben an der Treppe. Er hatte nicht daran gedacht, wie diese Situation ihre Vergangenheit wieder aufleben lassen würde. Ihm war es nur um Annie gegangen und ihre Sicherheit. Aber Sofie blieb sprachlos auf dem Treppenabsatz stehen. Er wünschte mit jeder Faser seines Herzens, er hätte die Sache zu Ende gedacht.
Sie sammelte sich und kam herunter, gefolgt von Rese. »Was ist passiert?«
»Sie wurde bei einem Familienstreit verletzt.«
Deutlich war der Schmerz in Sofies Zügen zu sehen. »Wie heißt sie?«
»Annie.«
»Ist ihr Arm gebrochen?«
Er nickte. »Es könnte sein, dass sie die Treppe hinuntergefallen ist. Die Mutter ist drogenabhängig und der Vater wird aggressiv.«
Sofie beugte sich vor und atmete den Duft des kleinen Mädchens ein. Tränen standen in ihren Augen.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich habe nicht nachgedacht.«
Sie nahm Annie auf den Arm. Die Augenlider des Kindes flatterten. Ein leises Wimmern. Sofie beruhigte sie. »Was gibt es da nachzudenken?«
Er liebte diese Frau. »Sie braucht eine vorübergehende Unterkunft, während wir eine Lösung finden.«
»Natürlich.«
»Ich hätte sie heute Abend mit zu mir genommen, aber sie hatte eine Gehirnerschütterung und jemand muss alle Stunde nach ihr sehen.« Er berührte Annies kleine Hand. »Ich dachte, wenn ein riesiger Kerl sie mitten in der Nacht aufweckt, wäre das mehr, als sie verkraften kann.«
Sofie lächelte schief. »Du bist nicht gerade der Stoff, aus dem Albträume sind.«
Lance erschien in T-Shirt und Schlafanzughose hinter Sofie und gähnte. »Ist das für dich okay, Sof?«
Sie nickte.
»Sicher?«
»Ja.« Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.
Nur halb so scharf wie der Blick, mit dem Lance ihn bedachte. Der Beschützerinstinkt war wieder da, diese Anspannung zwischen seiner Familie und jemandem, der eine Bedrohung darstellen könnte. Er hatte Annie nicht als Bedrohung empfunden, aber wenn man Sofies Vergangenheit betrachtete, hätte er das vielleicht besser tun sollen. Jedenfalls bekam er es jetzt ab.
»Sag mir Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst,
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