Das Echo der Vergangenheit
Gesicht. Daddy hätte sie nie weggehen lassen dürfen, aber das würde sie jetzt wiedergutmachen. Sofie wusste, dass sie sie brauchten. Wenn Daddy kam, würde sie es verstehen.
»Ich weiß, dass ich eigentlich zu alt dafür bin, aber … würdest du es mir vorlesen, Sofie?«
Sofies Überraschung verbarg sich hinter einem liebevollen Lächeln. »Ich bin mir gar nicht sicher, ob man jemals zu alt ist, um etwas vorgelesen zu bekommen. Nonna mag es auch und sie ist schon über neunzig.«
Carly lehnte sich in die Kissen zurück und zog die Knie an. Sie war traurig wegen der Leute, die verletzt worden waren, sehr traurig. Aber sie verdrängte den Gedanken – Daddy, ihre Grandma, die Bilder. All das war nicht wirklich. Nur Sofie. Nur der jetzige Augenblick.
Die Frau, die sie sich so lange vorgestellt hatte, schlug das Buch auf. Carly sog jedes Wort, das Sofie sprach, in sich auf und verbarg es tief in ihrem Innern. Sie hatte vielleicht nur Minuten oder Stunden oder Tage. Es würde nicht dauern. Es würde verdorben wie alles andere, weil Daddy sie zu sehr liebte. Es sei denn, sie konnte Sofie überzeugen, zu ihnen zurückzukommen.
Das war die einzige Möglichkeit. Alleine konnte sie es nicht mehr ertragen. Daddy brauchte auch Sofie. Warum hätte er sonst all die Fotos machen sollen? Sie waren vielleicht die einzigen beiden Menschen auf der Welt, die Daddy liebte, aber zusammen würden sie ihn glücklich machen.
Sie hätte Grandma nicht anrufen sollen. Beim Gedanken an das, was geschehen war, verkrampfte sich ihr Magen. Sie hätte auf Sofie warten sollen. Aber jetzt war sie hier, und wenn Daddy kam ...
Matt streckte den Kopf zur Tür herein. »Ich mache einen Spaziergang.«
Sofie nickte und warf ihm nur ein kurzes Lächeln zu. Carly konnte die Freude, die in ihr aufstieg, kaum ertragen. Es war noch nicht zu spät. Sofie liebte Matt nicht. Vielleicht liebte er sie, aber noch konnte sie Sofie daran hindern, ihn zu lieben.
Kapitel 32
Matt trat auf die Straße hinaus. Er wollte sich ein Bild von der Lage machen, in der sie sich befanden – Eingänge, Sichtbarkeit, Gefahren. Auf der einen Seite war eine Gasse neben dem Haus, aber auf der anderen Seite grenzte es an das Nachbargebäude. Vier Stockwerke, und Sofie hatte einen Keller erwähnt. Feuertreppen auf der Vorderseite, und als er an die Ecke kam, sah er auch auf der Rückseite welche.
Im Notfall konnte man sich schnell in Sicherheit bringen, aber andererseits konnte man sich auch leicht Zugang verschaffen. Er könnte es schaffen, wenn es sein musste. Ob Eric sportlich war, das wusste er nicht, aber er konnte auf keinen Fall das ganze Haus sichern. Er würde sich auf den Teil konzentrieren, in dem Sofie sich aufhielt.
Die Türen im Treppenhaus befanden sich genau gegenüber, sodass er von Chaz’ Seite aus Sofies Tür im Blick behalten konnte. Er könnte sogar im Flur schlafen, wenn das sinnvoll schien. Chaz und Rico halfen ihm vielleicht. Ihnen war Sofie offensichtlich wichtig.
Matt ging durch die Tür, die er aufgestoßen hatte, nach oben und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Dann klopfte er so laut, dass er über den Klang des Schlagzeugs, der aus dem Raum, in dem er gestern übernachtet hatte, zu hören war. Rico öffnete. »Du musst nicht klopfen. Es ist offen.«
Matt blickte zur anderen Seite des Ganges hinüber. »Die von Sofie auch?« Er erinnerte sich daran, dass Doria unangemeldet hereingekommen war.
»Bei allen, glaube ich. Wenn abgeschlossen ist, kann man den Schlüssel von Pop holen.«
»Pop?«
»Roman. Sofies Vater. Zweiter Stock.«
»Er hat einen Schlüssel für alle Zimmer?«
»Ihm gehört das Haus, Mann.« Rico wirbelte seine Drumsticks durch die Luft.
»Hat noch jemand Schlüssel?«
Ricos Blick wanderte zur Treppe. »Bobby und Monica, Lucy und Lou oben. Dom und Vinnie im hinteren Teil des Hauses. Chaz und ich. Warum?«
Matt zuckte mit den Schultern. »Wie viel weißt du darüber, was mit Sofie geschehen ist?«
»Du meinst früher?«
»Früher und jetzt. Sie hat Carly.«
Ricos Augenbrauen schossen nach oben. »Carly? Sie war ein Baby, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Haare wie eine Puppe, Augen wie ein Engel.«
So konnte man sie immer noch beschreiben. Aber traf die Beschreibung wirklich zu? »Was ist mit Eric?«
»Kann gut reden. Sieht aus wie ein Hollywoodstar.« Rico legte den Kopf schief. »Sofie war hin und weg, aber das Ganze ist nicht gut gelaufen. Kommst du rein?«
»Gerne.« Matt betrat den Raum. »Wo
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