Das Echo der Vergangenheit
abhalten zu können. »Was soll ich tun?«
Sie presste die Knöchel ihrer Hand an ihre Lippen. »Ich kann bei Carly schlafen. Und du nimmst mein Zimmer.«
Das hatte er auch in Erwägung gezogen. Die beiden Schlafzimmer waren durch ein Bad voneinander getrennt. Von dort aus würde er die Wohnungstür nicht sehen, aber er war näher bei seinen Schützlingen. »In Ordnung.«
Sie ließ die Hand sinken. »Ich weiß, es ist nicht das, was du wolltest.«
»Ist es denn das, was du wolltest?«
Wenigstens wirkte sie hin und her gerissen. »Du wusstest, ich würde tun, was Diego brauchte. Und Annie. Als Eric Carly vor sechs Jahren mitnahm, war es für mich, als wäre sie entführt worden. Gerade war sie noch da und dann war sie … es nicht mehr. Ich war im Gottesdienst. Und als ich zurückkam, waren sie fort. Ich habe mich nie verabschiedet, nie Bilder gehabt. Außer dem einen, was ich in meinem Portemonnaie hatte. Er hat sie mir einfach weggenommen.«
»Warum hast du ihn nicht dafür gehasst?«
Sie runzelte die Stirn. »Das habe ich doch. Wenigstens teilweise. Aber … ich …« Sie wischte sich eine Träne von der Wange. »Ich wusste, wie er sich dabei fühlte. Er durfte nicht zulassen, dass etwas zwischen sie kam.«
»Du meinst jemand?«
»Du weißt nicht, wie es ist, ein Kind zu verlieren, Matt. Ich kann mir seine Qualen kaum vorstellen.«
»Das kannst du nicht? Hast du sie nicht auch verloren?«
Sie blinzelte die Tränen zurück.
»Oder ist es für ihn schlimmer, weil sie gleichzeitig der Gegenstand seiner Besessenheit ist?«
Ihre Hände schlossen sich zu Fäusten, aber er sprach weiter. »Hast du die Bilder vergessen? Seine Mutter im Krankenhaus?«
Sie ging auf und ab. »Natürlich nicht.«
»Was hat sich dann geändert?«
Sie blickte über ihre Schulter. »Wovon redest du?«
»Heute Morgen warst du noch genauso entsetzt über das alles wie ich.«
Sie ließ den Atem entweichen. »Du hast selbst gesagt, dass sie ihm nichts werden anhängen können. Und wenn er glaubt, dass er Carly verliert ... Du hättest nach Hause fahren sollen.«
»Ich gehe nicht.«
»Matt ...«
Er nahm sie in seine Arme. »Ich gehe nicht. Auch wenn du es von mir verlangst.«
Sie legte die Fingerspitzen auf seine Wangen, berührte seine Mundwinkel und sah ihm in die Augen. »Danke.«
»Keine Ursache.«
»Sofie?« Carlys Ruf war leise, aber für ihn klang er so laut wie eine Glocke.
Er nickte in Richtung Schlafzimmer. »Geh ruhig.«
Sie trat zurück. »Ich hole noch ein paar Dinge aus meinem Zimmer.«
»In Ordnung. Gute Nacht.« Heute Nacht würde er bei offener Tür schlafen – und das nicht nur, um einen potenziellen Eindringling zu erwischen.
Kapitel 34
Während Sofie duschte, stiegen die Erinnerungen wie ein Strom auf, den sie einatmete und durch ihre Poren aufnahm. Entenfüttern im Regen im Central Park und Carly, die selbst wie ein Entlein mit gelben Stiefeln zwischen ihnen herumflatterte, und Eric, der mit ihr durch Pfützen sprang, als hätte er nie das spritzende Vergnügen von nassen Schuhen und Gelächter erlebt.
Oder als sie im Nebel auf der Throgs Neck Bridge Hotdogs gegessen hatten. Auf Erics Schultern sitzend hatte Carly ausgerufen: »Ich sehe Delfine am Himmel.« Und Eric hatte versucht, sie einzufangen, während der Nebel an ihnen vorbeiglitt.
Seine leichten Schritte auf der Treppe, wenn er nach Hause kam. Wie er Carly auf den Schoß genommen und seinen Tag wie ein Bilderbuch entfaltet hatte, um anschließend gespannt zu lauschen, welche Abenteuer sie erlebt hatten, während er fort gewesen war. Sofie hielt das Gesicht in den Wasserstrahl. Sie hatte es bis zur Perfektion beherrscht, so von ihren Erlebnissen zu erzählen, dass ihn nichts beunruhigte, sondern nur amüsierte, und er sich nicht ausgeschlossen fühlte. » Wir waren im Park und haben uns überlegt, wie hoch du Carly wohl in den Himmel werfen kannst. « Und dann strahlte er, als wäre er selbst dabei gewesen, und ihnen war ein wohliger Schauer über den Rücken gelaufen. Sie selbst hatte den wohligen Schauer verspürt.
Mit geschlossenen Augen erinnerte sie sich an das erste Mal, als er die Haare von ihrer Wange gestrichen hatte. Den Duft seines Atems; das Zittern seiner Hand. Es war, wie sie jetzt zugab, nicht nur der Verlust von Carly, der sie in die Verzweiflung getrieben hatte. Vier Jahre mit Erics unnachgiebiger Anbetung hatten eine schreckliche Leere hinterlassen. Sie wusste nicht, wie sie ohne ihn sein konnte oder wer sie sein konnte –
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