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Das Echo der Vergangenheit

Das Echo der Vergangenheit

Titel: Das Echo der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Heitzmann
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Meter hohes Gerüst hinunterklettern, aber der Drang blieb.
    Brad hockte sich neben ihr auf das Brett. »Bist du krank? Oder schwanger?«
    »Nein, ich bin nicht schwanger.« Sie schluckte die Tränen hinunter. Sie hatte nie freiwillig in Brads Gegenwart geweint, obwohl bei der einen Gelegenheit stille Tränen über ihr Gesicht gelaufen waren, als sie im Schockzustand gewesen war.
    »Was ist denn dann?«
    Sie schluckte. »Heute ist Dads Geburtstag.«
    »Oh Mann.« Er setzte sich neben sie. »Daran habe ich ja gar nicht gedacht. Ich hätte dir gesagt, dass du zu Hause bleiben sollst.«
    »Zu Hause bleiben? Das alles hier mache ich doch nur wegen ihm.«
    »Ich dachte, du machst es wegen mir.«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht und kämpfte mit aller Macht gegen die aufsteigenden Tränen an.
    »Das war ein Witz. Tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn du … so bist.«
    Sie konnte die Gedanken nicht aufhalten. Dads große, geschickte Hände. Sein starker Rücken und sein geschultes Auge. Die hohen Maßstäbe, durch die sie selbst und Brad geprägt waren. Sie hatte mehr von ihm gelernt als in allen Unterrichtsstunden in der Schule. Er hatte seine Zuneigung nicht gezeigt, aber er war stolz gewesen. Und er hatte sie in der schlimmsten Nacht ihres Lebens in Sicherheit gebracht.
    An diesem Morgen hatte ihre Mutter sie so angesehen, als hätte sie den Tod verdient, ihre Augen tiefe, gestörte Brunnen. Sie hatte ihre Finger in die Arme von Rese gekrallt und gefragt: » Wo ist er? Was hast du mit ihm gemacht? « War es überhaupt Dad, den sie gemeint hatte?
    Mehr als ein Jahr war es jetzt her, dass er gestorben war. An manchen Tagen hatte es gar keine Auswirkungen auf sie. An anderen, wie heute …
    »Zieh dich nicht zurück, sondern rede mit mir«, drängte Brad sie.
    »Er sollte eigentlich hier sein. Er darf nicht tot sein.«
    »Wie lange hast du denn diese Schwindelanfälle schon?«
    »Seit ich angefangen habe zu reden, anstatt mich zurückzuziehen.« Drei Wochen unter Schock und dann der lange Weg zurück zur Professionalität in ihrem gewählten Beruf.
    »Und du hast nichts davon gesagt? Wie oft bist du auf diesen Dingern allein rumgeturnt?«
    »Ich werde schon damit fertig. Normalerweise ist es nicht so schlimm.« Aber Dad wäre heute zweiundfünfzig geworden und sie wünschte, er wäre hier und würde mit ihnen zusammen arbeiten.
    »Rückblenden?«
    »Nicht so oft.«
    »Rese, zum Kuckuck noch mal! Du hättest es mir sagen müssen.«
    »Lance weiß es. Er hat mir in so einer Situation schon mal geholfen.«
    »Das ist ja schön, aber er ist nicht hier; und er wird auch nicht da sein, wenn du runterfällst.«
    »Ich werde nicht runterfallen.« Ihr Kopf drehte sich von dem kupfernen Geruch von Blut, so viel Blut. Sie zitterte, während Brad ihr Handy herauszog. »Was machst du da?«
    »Ich rufe Lance an.«
    »Er ist eine Stunde entfernt.« Zu weit. So wie jede Hilfe zu weit entfernt gewesen war, als sie versucht hatte zu verhindern, dass ihr Vater langsam verblutete.
    Brad rief trotzdem an. Sie legte eine Hand auf ihre Stirn. Bisher hatte sie nie von diesem Tag erzählt, aber jetzt sprachen sie miteinander. Sie erzählte ihm alles, was geschehen war. Und dann erzählte er ihr Dinge, aus seinem Leben. Und dann wieder sie ihm. Als Geschenk zum Geburtstag ihres Vaters gaben sie einander Erinnerungen weiter, manche schmerzlich, andere lustig, überwiegend voller Respekt, aber auch seine Schwächen blieben nicht unerwähnt. Sie widersprachen sich und stritten und erinnerten sich. Und dann war Lance da.

    * * *

    Er stürmte in das Hotel in Nob Hill und sah Rese neben Brad auf dem Gerüst sitzen. »Rese?«
    Sie blickte nach unten. »Es geht mir gut.«
    Brad richtete sich auf. »Ihr ist schwindelig.«
    Lance runzelte die Stirn. Da sie die Arbeit mit Brad wieder aufgenommen hatte, war er davon ausgegangen, dass sie die Flashbacks und Schwindelanfälle überwunden hatte. Doch er hatte sich geirrt. Im Nu kletterte er das Gerüst hinauf und überlegte, was geschehen wäre, wenn Brad dort oben nicht bei ihr gewesen wäre.
    »Du hättest nicht zu kommen brauchen«, sagte sie, während sie ihn auf ihre Ebene zog. »Wenn Brad mich hätte hinunterklettern lassen …«
    »Hast du sie?«, fragte Brad und erhob sich.
    Lance nickte.
    Brad zog die Zigarettenpackung aus seiner Tasche. »Ich rauche jetzt eine; dann kann einer der Männer mir hier oben helfen. Rese, du gehst nach Hause.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Es ist mein

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