Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
Augen. Man kann ihm nicht so leicht etwas vormachen. »Daire, was wird hier wirklich gespielt ?« Sein Tonfall wird schlagartig ernst. Jetzt ist Schluss mit lustig.
Seufzend starre ich in meinen Kaffee. »Wo soll ich anfangen ?«
»Wo du magst.« Er faltet seine Zeitung zusammen und schiebt sie zur Seite, während ich meine Möglichkeiten abwäge.
Chay ist Palomas vertrauter Freund und, wie ich kürzlich entdeckt habe, auch ihr Geliebter. Er hat mich schon in meiner schlimmsten Trotzphase erlebt. Hat mich ohne ein einziges Wort der Beschwerde den ganzen Weg von Phoenix nach Enchantment gefahren. Hat mich an den Ort meiner Visionssuche begleitet und mir das Selbstvertrauen vermittelt, das ich brauchte, um mich in die Höhle zu wagen. Und er hat mir auf unbestimmte Zeit Kachinas Pflege überlassen.
Er ist ein guter Mensch.
Jemand, dem ich vertrauen kann.
Vielleicht nicht in allem, aber ich habe ja auch nicht vor, ihm alles zu erzählen.
Ich hole tief Luft und lege los. Dabei fällt mir auf, wie er während meiner Schilderung, dass die Unterwelt vor die Hunde geht, nervös an dem Adlerring dreht, an dem zwei goldfarbene Steine als Augen eingelassen sind und den er immer trägt. Gerade will ich ihm vom Echo erzählen, davon, wie ich endlich herausgefunden habe, was es wirklich bedeutet – für Dace, für Cade, für uns alle.
»Und dann ist da natürlich noch die Kleinigkeit mit der Prophezeiung«, sage ich mit sarkastischem Unterton. Doch in Wahrheit ragt die Prophezeiung überlebensgroß vor uns auf, sodass ich an nichts anderes mehr denken kann. Und so wird es zweifellos bleiben, bis ich einen Weg finde, sie in die Tonne zu treten, was ich schon bald zu tun gedenke. Und zwar sehr bald. Sobald ich Chay abwimmeln und über die Straße zum Rabbit Hole gehen kann. »Du weißt über die Prophezeiung Bescheid, stimmt’s ?«
Chay beugt sich über seinen Kaffee und weicht gezielt meinem Blick aus. »Eine Prophezeiung lässt sich auf viele verschiedene Arten auslegen.«
Ich lehne mich zurück und verzichte lieber auf den Rest meines Kaffees, statt noch einen Schluck zu nehmen. »Genau das hat Paloma auch gesagt.« Ich mustere ihn aufmerksam, betrachte das lange, schwarze Haar, die hohen Wangenknochen, den breiten Mund, den verwitterten Teint und die freundlichsten Augen, die ich, abgesehen von Daces Augen, je gesehen habe.
»Paloma ist eine weise Frau.« Chay grinst. Dann isst er gemächlich sein Gebäckstück auf und wischt sich die Krümel von den Lippen, ehe er weiterspricht. »Aber das erklärt noch immer nicht, warum du hier bist.«
»Nicht ?« Ich lege den Kopf schief und fordere ihn so heraus, mal zu versuchen, die Wahrheit zu erraten, da ich nicht vorhabe, sie ihm einfach auf die Nase zu binden.
Er lehnt sich zurück und kneift nachdenklich die Augen zusammen. Zweifellos spürt er, worauf ich es anlege, wenn vielleicht auch nicht ganz. Schließlich kippt er den Rest seines Kaffees hinunter und steht auf. »Gehen wir doch ein bisschen spazieren.«
Ich folge ihm nach draußen und habe keine Ahnung, wo er mit mir hinwill, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht das Rabbit Hole sein wird. Zumindest hoffe ich das nicht. Ich brauche keinen Begleiter. Manche Dinge muss ich allein erledigen.
»Wohin gehen wir ?« Ich bleibe neben ihm am Straßenrand stehen, um ein paar Autos vorbeifahren zu lassen, bevor wir hinübergehen.
»Buchhandlung.« Er schaut konzentriert auf die andere Straßenseite, von wo Dace mich aus seinem Auto heraus beobachtet.
Ich weiß, ohne hinsehen zu müssen, dass er es ist.
Ich spüre den Strom bedingungsloser Liebe, der mich stets umgibt, wenn er in der Nähe ist.
Es kostet mich die letzten Reste meiner Kraft, ihn zu ignorieren. Nicht zu ihm hinzusehen. Nicht wie ein Gummiball herumzuspringen, ihm wie wild zuzuwinken und dabei laut seinen Namen zu rufen.
Schlimm genug, dass ich ihn liebe. Allerdings kommt es nicht infrage, diese Liebe zu leben.
Zumindest für den Moment.
»Ich muss zuerst noch hier rein«, sage ich, packe Chay am Ellbogen und steuere ihn in den Schnapsladen an der Ecke, wo ich mich, kaum innen angekommen, an die nächste Wand lehne, um mich zu beruhigen.
»Alles in Ordnung ?« Chay schaut mich prüfend an.
Ich nicke und ringe um Fassung, damit ich etwas sagen kann. »Würde es dir etwas ausmachen, ein Päckchen Zigaretten für mich zu besorgen ? Ich bin noch zu jung, um selbst welche zu kaufen.«
Misstrauisch zieht er die Brauen zusammen.
»Zigaretten
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