Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
ohne einen weiteren Gedanken, bestimme ich denjenigen, dem ich folgen werde. Ich sehe zu, wie er Funken schlägt und aufflammt und zu doppelter Größe anwächst, ehe er den anderen verschlingt und wilde Bocksprünge vor mir vollführt.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das, was ich fühle, Erleichterung ist. Doch in Wahrheit löst der Anblick Unruhe in mir aus.
Die Wahl ist getroffen; es gibt kein Zurück.
Und es wird Konsequenzen geben, das hat Leftfoot mir versichert.
Aber damit kann ich umgehen. Kein Preis ist zu hoch, um Daire zu retten.
Als wir die Schwitzhütte verlassen, geht die Nacht bereits in den Morgen über. Doch trotz Schlafmangels bin ich überhaupt nicht müde.
Ich fühle mich eher erfrischt. Verwandelt. Als wäre ich im Laufe einer Nacht vom Kind zum Mann geworden.
»Ich will, dass du heute zur Schule gehst«, sagt Leftfoot, als wir uns wieder anziehen. »Nicht nur weil deine Ausbildung wichtig ist, sondern auch weil sich dann Chepi keine Sorgen mehr macht und es dir den Anschein von Normalität gibt. Das ist etwas, das du unbedingt aufrechterhalten musst, jetzt mehr denn je.« Er mustert mich eindringlich, und ich sauge den Atem ein, davor gewappnet, dass er es jetzt anspricht. Dass er mir wegen der Wahl, die ich getroffen habe, Stress macht. Doch er sagt nur: »Außerdem musst du ins Rabbit Hole zurückkehren und dich dafür entschuldigen, dass du die letzten Tage nicht zur Arbeit gekommen bist. Benimm dich unauffällig. Es kostet dich nichts außer einen Augenblick des Stolzes, was ohnehin etwas ist, was du ablegen solltest. Stolz ist eine überbewertete Tugend, die nur dazu dient, uns voneinander zu isolieren, obwohl es besser für uns wäre, wenn wir zusammenarbeiten. Wenn du dann wieder drinnen bist, möchte ich, dass du das Portal ausfindig machst. Daire weiß, wo es ist. Aber da du ihr momentan besser aus dem Weg gehst, könntest du dich ja auch an Xotichl wenden. Sie kann dich leiten.«
»Und wenn ich es gefunden habe ?«, frage ich und begreife, dass er trotz allem, was er mir im Lauf der Nacht beigebracht hat, nicht dazu gekommen ist, mir zu sagen, wie ich das Gelernte umsetzen soll.
»Ich will nur, dass du es findest, weiter nichts – jedenfalls für den Moment. Sie sind schon in die Unterwelt eingebrochen, also ist dieser Schaden bereits geschehen. Fürs Erste sollst du nur alles im Auge behalten. Halt Ausschau nach allem, was aus dem Rahmen fällt, und berichte mir über deine Entdeckungen.«
Ich reibe mir das Kinn. Erstaunt registriere ich ein breites Band kratziger Bartstoppeln. Es muss Tage her sein, seit ich zuletzt geduscht und mich rasiert habe.
»Und Dace …«
Ich wende mich zu ihm um.
»Ruh dich aus. Du wirst es brauchen.«
Obwohl Leftfoot mich zum Ausruhen drängt, obwohl ich seit Tagen nicht geschlafen habe, bin ich, als ich endlich in meiner Wohnung anlange, viel zu aufgedreht, um es auch nur ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Schlafen heißt: die Augen schließen.
Und die Augen schließen heißt: von Daire träumen.
Daire lächelnd.
Daire lachend.
Daire liebend.
Mein Kopf voll von einem Film von ihr, der darin gipfelt, wie sie mich angesehen hat, nachdem ich ihr eröffnet hatte, dass wir uns nicht mehr sehen dürfen. Wie sie über meinem Küchentisch in sich zusammensackte, als hätten meine Worte sie wie ein Messerstich getroffen …
Ich schüttele den Gedanken ab und wende mich meiner Körperpflege zu. Schließlich klaube ich mir frische Sachen aus dem Waschkorb, dessen Inhalt ich nie in den Schrank geräumt habe, esse rasch noch eine Kleinigkeit und mache mich auf den Weg zur Schule.
Mit nichts als einer Schale abgestandener Frühstücksflocken, einer Tasse schwachen Kaffees und dem Adrenalin der reinen Entschlusskraft im Bauch, sehe ich auf die Uhr und verlasse die Wohnung. Ich werde zu früh kommen – aber zu früh in der Schule zu sein ist immer noch besser, als hier zu sitzen und mich in meinen Erinnerungen zu verlieren.
Zweiundzwanzig
Daire
J e nnika erscheint am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe, angeblich um mit uns zu frühstücken, doch ich weiß es besser. Sie will sich vergewissern, dass ich angezogen und fertig für die Schule bin. Dass ich die Art von Leben führe, die ihr keinen Grund gibt, sich mehr zu sorgen, als sie es ohnehin schon tut.
Sie klopft an meiner Zimmertür und wartet kaum so lange, bis ich geantwortet habe, da platzt sie schon herein und lässt sich auf mein Bett fallen. Sofort spult sie eine
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