Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
»Verrätst du mir, was du für ihn hast ?«
»Nein.« Ich umfasse die Einkaufstüte fester, als wollte ich Jennika abhalten, danach zu greifen. Was sie vermutlich nicht tun würde. Doch bei Jennika weiß man nie. »Lieber nicht.«
Sie betrachtet mich eine ganze Weile und seufzt schließlich resignierend. »Soll ich dich auch wieder abholen ?«
»Ich finde schon jemanden, der mich fährt. Mach einfach das, worauf du Lust hast.« Ich stoße die Tür auf und schiebe mich aus dem Auto. Doch kaum bin ich auf die Straße getreten, überkommt mich einer dieser Eindrücke – und ich bin verblüfft über die Menge an Traurigkeit und Einsamkeit, die Jennika in ihrem Herzen birgt. Das veranlasst mich, mich umzudrehen und zu sagen: »Wenn du morgen vorbeikommen willst, kann ich Kachina satteln, ein Pferd von Chay ausleihen, und wir reiten zusammen aus.«
Jennika lächelt. »Klar. Warum nicht ? Es ist schon eine Weile her, seit ich meine Cowgirl-Phase hatte. Aber jetzt erst mal …« Sie kramt in ihrer Tasche, zieht mich zu sich her und tupft mir einen Klecks glänzenden, klaren Lipgloss mitten auf die Unterlippe. Dann fährt sie mir mit den Daumen über beide Wangen. »Okay, jetzt bist du absolut unwiderstehlich. Wirf sie um.«
Ich gehe auf den Eingang zu, aber nur, weil ich spüre, dass sie mich vom Wagen aus beobachtet. Sowie sie davonfährt, sause ich nach hinten und mache mich an die Vorbereitungen. Ich benutze jeden Gegenstand aus meiner Tüte, streiche mir verunsichert über die ungewohnte Lockenmähne und betrete den Club.
Mir bleibt kaum Zeit, um mich an die schummrige Beleuchtung und den Krach zu gewöhnen, als mich Lita schon am Arm packt. »Endlich !«, ruft sie. »Ich dachte schon, du willst mir die Party ruinieren !« Schnaubend verdreht sie die Augen und schüttelt gleichzeitig den Kopf. Es ist ein eindrucksvolles, dramatisches Schauspiel. »Aber jetzt bist du ja hier !« Sie zieht mich in eine ihrer Lita-Umarmungen, die mich mit ihrer unglaublichen Ernsthaftigkeit und der Wolke süßlichen Parfüms immer ganz schwindelig machen.
»Wo warst du überhaupt ? Warum kommst du so spät ? Bist du mit Dace gekommen ? Der ist nämlich auch nicht da. Oder vielmehr, der alte Schrotthaufen, den er fährt, ist da, aber ihn habe ich nirgends gesehen.« Sie weicht ein Stück zurück und lässt forschend den Blick über mich schweifen. »Und wer hat dir die Haare und das Make-up gemacht ? Ist Jennika hier ? Meinst du, sie würde mich auch stylen ?« Kaum lässt sie mir eine Sekunde Zeit für eine Antwort, da redet sie schon weiter. »Egal. Das besprechen wir später. Und jetzt komm endlich. Los jetzt !«
Sie zieht mich unsanft am Ärmel und führt mich an einem riesigen Weihnachtsbaum vorbei, dessen Zweige dermaßen mit Schmuck überladen sind, dass sie sich unter der Last biegen. Dann zerrt sie mich die Mistelzweig-Gasse hinab und funkelt jeden Jungen finster an, der es wagt, sie mit lüsternen Blicken anzuschmachten. Sie macht erst halt, als sie die Gruppe von Tischen erreicht hat, die der Bar am nächsten stehen und wo mehr oder weniger die ganze elfte Klasse sitzt. Einschließlich der Leute, die sie noch vor ein paar Wochen ihrer Aufmerksamkeit für völlig unwürdig erachtet hat.
»Ja, ich weiß, was du denkst.« Sie fängt meinen erstaunten Blick auf. »Zuerst freunde ich mich mit dir an. Dann mit Xotichl und Auden. Dann mit Dace. Und jetzt sieht es so aus, als wäre ich bereit, mich wahllos mit so gut wie jedem anzufreunden.« Sie hebt die Schultern und sieht sich um. »Was soll ich sagen ? Ich bin zur totalen Freunde-Schlampe geworden. Aber schließlich ist Weihnachten, und da komme ich immer in Spendierlaune. Also habe ich beschlossen, meinen Horizont zu erweitern und all diesen Losern zu erlauben, zu meiner Party zu kommen.« Lächelnd winkt sie einem Grüppchen von ihnen zu. Ihre Reaktion darauf, von Lita registriert zu werden – überglücklich und albern –, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie mächtig sie ist.
Ich mag ja die Macht der Elemente und die Macht meiner Ahnen auf meiner Seite haben, doch Lita besitzt die Macht des Charismas und zieht Menschen an wie eine Blume die Bienen.
»Ich habe etwas für dich«, sage ich, nachdem wir bei Xotichl angekommen sind. »Für euch beide. Und für Auden.« Ich wühle mich durch den Inhalt meiner Tüte, auf der Suche nach den ungeschickt eingewickelten Päckchen. »Tut mir leid wegen der miesen Verpackung, aber ich hatte nicht viel Zeit.«
»Wen kümmert
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