Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
Sie zieht eine Braue auf eine Weise hoch, dass kein Zweifel möglich ist. »Wenn mich irgendjemand erwischt, sage ich einfach, ich war so begeistert von den Jobangeboten, dass ich extra früh gekommen bin, um als eine der Ersten ein Bewerbungsblatt ausfüllen zu können. Und wenn sie mir das Recht dazu verweigern wollen, drohe ich damit, dass ich sie wegen Diskriminierung verklage.« Um ihre Worte zu unterstreichen, schlägt sie mit dem Stock fest auf den Boden. »Hast du die Zigaretten ?«
Ich klopfe auf meine Jackentasche und bestätige, dass ich sie habe. »Ich dachte immer, das sei ein Mythos. Du weißt schon, das mit dem Tabakopfer für die Dämonen.«
»Und was glaubst du, wo Mythen herkommen ?«, fragt sie. »Sie beginnen als Wahrheiten. Sie sind erst zu Mythen geworden, als wir beschlossen haben, dass es leichter ist, Dinge, die wir nicht verstehen, einfach zu leugnen.«
»Okay, du kleine Schlaubergerin.« Ich umfasse ihre Schultern mit beiden Händen und drehe sie um, bis sie in die andere Richtung schaut. »Wir müssen uns jetzt trennen. Du suchst den Ausgang, während ich auf Entdeckungsreise gehe.«
Doch kaum will ich losgehen, da dreht sie sich um. »Dace«, beginnt sie, während ihre Miene sich besorgt verzieht. »Was soll ich Daire sagen ? Du weißt schon, falls ich ihr begegne ?«
Ich betrachte Xotichl, die in diesem hohlen Raum derart winzig und verletzlich aussieht, dass ich mir selbst in Erinnerung rufen muss, wie recht sie hat – es wäre ein Fehler, sie zu unterschätzen. Ich umfasse die Zigaretten, umklammere sie fest mit den Fingern, während ich auf den schmierigen, pulsierenden Schleier zugehe und sage: »Mach dir keine Sorgen. Dank dir habe ich einen soliden Vorsprung. Dagegen ist Daire wahrscheinlich gerade erst bei Paloma zur Tür hereingekommen und muss jetzt ein ausführliches Verhör über sich ergehen lassen, wie und wo sie die Nacht verbracht hat. Bis sie sich wieder loseisen kann, ist Cade tot. Zumindest dafür werde ich sorgen.«
Zweiunddreißig
Daire
A l s ich zum R abbit Hole komme, drängen sich auf der Treppe massenhaft Leute, die unter einem Spruchband mit einer Werbung für eine Jobmesse mehr oder weniger geordnet Schlange stehen.
Eine Jobmesse ?
Hier in Enchantment, wo es überhaupt keine Jobs gibt ?
Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich hatte gehofft, früh hier einzutreffen. Mich unters Putzpersonal zu mischen, um ein bisschen herumzuschnüffeln und dabei möglichst unentdeckt zu bleiben.
Ursprünglich hatte ich vorgehabt, die Unterwelt direkt durch das Portal im Rabbit Hole zu betreten, da ich dachte, ihr Zugangspunkt würde mich schnurstracks zu Cade führen.
Und dann, wenn ich ihn gefunden hätte, würde ich ihn töten.
Ein Plan, der mir ungemein einleuchtend vorkam – zumindest bis jetzt.
Trotz meines späten Starts hätte ich nie mit einem Szenario gerechnet, bei dem ich von einem Türsteher empfangen werde, der einseitige Bewerbungsformulare verteilt.
Doch ich beschließe mitzumachen und zu schauen, wie es weitergeht. Ich schleppe mich zu einem der runden Stehtische, die die Tanzfläche umgeben, und mustere die Horde von Jobsuchenden. Die meisten sind mittleren Alters, und alle tragen den gleichen müden, glasigen Blick zur Schau. Darüber hinaus, dass sie sich hierhergeschleppt haben, scheint keiner von ihnen sich zu mehr aufraffen zu können, als belämmert herumzuschlurfen.
»Nummer eins bis zwanzig – hier entlang !« Ich drehe mich zu der Stimme um, die hinter mir brüllt. Mein Blick landet auf einem Mann, den ich noch nie gesehen habe, der aber eindeutig das dunkle Äußere eines Richter aufweist und die Gruppe beäugt, die er gerade aufgerufen hat und die nun langsam an ihm vorbeidefiliert.
Ich starre auf meinen Zettel, auf dem von Hand die Zahl 27 in die obere rechte Ecke gekritzelt wurde, was mich in die nächste Gruppe platziert, die aufgerufen werden wird.
Soll ich gehen ?
Soll ich das Blatt hier ausfüllen und einfach weiter mitmachen ?
Werde ich es ewig bereuen ?
Werde ich es überleben ?
Ich vergrabe das Gesicht in den Händen und weiß nicht, was ich tun soll. Schließlich tröste ich mich mit dem Gedanken, dass ich mir wenigstens nicht wegen Dace und Xotichl den Kopf zerbrechen muss. Obwohl sie wahrscheinlich meine Proteste ignoriert haben und hierhergeeilt sind, haben sie garantiert kehrtgemacht, als sie das hier gesehen haben.
Meine Gedanken werden von einer Frau unterbrochen, die mich fragt, ob ich ihr einen Kuli leihen
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