Das Echo dunkler Tage
an?«
Maya lächelte wieder und sah ins Tal.
»Das ist einer meiner Lieblingsorte, aber in letzter Zeit liegt hier einiges im Argen.«
»Sie meinen die Morde?«
Mayas Lächeln erstarb.
»Es gehen merkwürdige Dinge vor sich.«
Amaias Interesse war jetzt endgültig geweckt.
»Was für Dinge?«
»Gestern zum Beispiel habe ich gesehen, wie ein Mann in eine dieser kleinen Höhlen ging«, sagte sie und zeigte auf das dichte Gestrüpp, »und als er wieder rauskam, hatte er ein Bündel in der Hand.«
»Und dieser Mann kam Ihnen verdächtig vor?«
»Eher befriedigt.«
Merkwürdiges Adjektiv, dachte Amaia.
»War der Mann eher jung oder eher alt? Konnten Sie sein Gesicht erkennen?«
»Bewegt hat er sich wie ein junger Mann, aber er trug eine Kapuze. Beim Weggehen hat er sich kurz umgedreht, und da konnte ich ein Auge sehen.«
Amaia sah sie verwundert an.
»Sie meinen, Sie haben nur eine Gesichtshälfte gesehen?«
Maya antwortete nicht, sondern lächelte wieder.
»Danach ist er mit einem Auto weggefahren.«
»Haben Sie das Auto gesehen?«
»Nein, aber ich habe den Motor gehört.«
»Kommt man von hier an diese Höhle heran?«
»Nein, sie liegt eher versteckt. Man muss von der Straße den Hang hochsteigen, bis zu den Bäumen da«, erklärte sie, »und sich dann durchs Unterholz kämpfen, weil der alte Pfad zugewachsen ist. Wenn man bei den Felsen ist, sind es noch etwa vierhundert Meter.«
»Sie scheinen sich gut auszukennen.«
»Wie gesagt, ich komme oft hierher.«
»Um Opfergaben abzulegen?«
»Nein.« Wieder lächelte sie.
Eine Windböe wirbelte Mayas Haare auf und gab den Blick auf goldene Ohrringe frei. Merkwürdiges Outfit für die Berge, dachte Amaia. Und sie wunderte sich noch mehr, als sie unter dem Rock des Seidenkleids die römischen Sandalen bemerkte. Maya sah wie verzaubert zu den Steinen auf dem Felsen, als wären sie äußerst kostbar. Auf ihrem Gesicht lag das Lächeln einer Frau, die ein Geheimnis hat.
Amaia fühlte sich plötzlich unwohl, als wäre ihre Zeit abgelaufen, als dürfte sie nicht länger bleiben.
»Ich geh dann mal wieder runter. Kommen Sie mit?«
»Nein, ich bleibe noch ein bisschen.«
Amaia brach auf, blickte sich nach einigen Schritten noch einmal um, weil sie sich verabschieden wollte. Aber die Frau war verschwunden. Ungläubig sah sie zu der Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte.
»Maya?«, rief sie.
Sie konnte unmöglich so schnell bis zur Höhle gelangt sein. Und an ihr vorbeigegangen sein konnte sie erst recht nicht, das hätte sie gesehen und außerdem das Klimpern des Schmucks gehört.
»Maya?«, rief sie noch einmal. Sie wollte sich schon zur Höhle aufmachen, um sie zu suchen, als der Wind auffrischte. Ein Gefühl der Beklemmung erfasste sie. Eilig ging sie den Pfad zurück bis zu der Lichtung, auf der Ros und James auf sie warteten.
»Du bist ja ganz blass. Hast du ein Gespenst gesehen?«, fragte Ros scherzhaft.
»James, komm mit«, sagte sie, ohne Ros zu beachten.
»Was ist los?«, fragte er beunruhigt und stand auf.
»Da war eine Frau, und die ist plötzlich verschwunden.«
Ohne weitere Erklärung nahm sie erneut den Pfad durch den stacheligen Ginster.
Als sie oben ankamen, sah Amaia nach, ob Maya vielleicht in die Tiefe gestürzt war. Der Abhang war mit Felsen übersät und mit Ginster überwuchert: Hier konnte sie nicht sein. Sie ging zur Höhle und spähte hinein. Es roch nach Erde und nach etwas Metallischem. Nichts deutete darauf hin, dass jemand sie in den letzten Jahren betreten hatte.
»Amaia, hier ist keiner.«
»Aber da war eine Frau. Ich habe mich mit ihr unterhalten. Und als ich mich umgedreht habe, war sie plötzlich weg.«
»Es gibt nur diesen einen Pfad«, sagte James, der sich in alle Richtungen umgesehen hatte. »Sie hätte bei uns vorbeikommen müssen.«
Die Steine auf dem Felsen waren verschwunden, sogar der Kieselstein, den Amaia dort hingelegt hatte.
»Ros und ich hätten sie sehen müssen«, sagte James noch einmal, bevor sie sich wieder an den Abstieg machten.
»Wie sah die Frau aus?«, fragte ihre Schwester, als sie wieder bei ihr ankamen.
»Blond, hübsch, um die dreißig. Sie trug ein langes Kleid, darüber einen grünen Wollschal und jede Menge Goldschmuck.«
»Fehlt nur noch, dass sie barfuß war.«
»Fast, sie hatte römische Sandalen an.«
James sah sie überrascht an.
»Sandalen? Wir haben vielleicht acht Grad!«
»Überhaupt sah sie komisch aus, aber auch elegant.«
»Sie hatte grüne Sachen an,
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