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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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tobte. Sie hörte, wie sich Flora selber lobte, konnte ihren berechnenden, ja grausamen Blick fast spüren, der einem einen Schauder über den Rücken jagen konnte. So wie der ihrer Mutter.
    »Isst du denn gar nichts, Amaia?«, fragte Flora süßlich.
    »Danke, keinen Appetit.«
    »Wieso denn das? Komm, wenigstens ein kleines Stückchen, das kannst du mir nicht abschlagen«, drängte sie und legte Amaia einen Txantxangorri auf den Teller.
    Der Duft rief ihr unwillkürlich die toten Mädchen ins Gedächtnis.
    »Nimm’s mir nicht übel, Flora! Ich habe in letzter Zeit einen empfindlichen Magen«, sagte sie und sah ihrer Schwester in die Augen.
    »Bist du womöglich schwanger? Tante Engrasi meinte, ihr probiert’s gerade.«
    »Flora, es reicht«, ging Engrasi dazwischen. »Tut mir leid, Amaia, ich hatte es nur nebenbei erwähnt.«
    Sie ergriff Amaias Hand.
    »Nicht so schlimm, Engrasi.«
    »Flora, du bist wirklich rücksichtslos. Amaia musste in letzter Zeit einiges verkraften«, schaltete sich jetzt auch Víctor ein. »Ihr Job ist wahrlich nicht leicht. Mich wundert jedenfalls nicht, dass sie fast nichts essen kann.«
    Amaia bemerkte, wie überrascht Flora ihn ansah. Vielleicht war es das erste Mal, dass er vor anderen nicht ihrer Meinung war.
    »Ich habe gelesen, dass ihr Johanas Vater festgenommen habt«, sagte Víctor. »Hoffentlich hört das Morden damit auf.«
    »Das wäre schön«, pflichtete ihm Amaia bei. »Dass der Kerl seine Stieftochter getötet hat, steht außer Zweifel. Dass er mit den anderen Morden nichts zu tun hat, leider auch.«
    »Wie dem auch sei, ich bin froh, dass ihr dieses Schwein geschnappt habt. Ich kenne seine Frau, und das Mädchen habe ich auch gekannt, zumindest vom Sehen. Wer so einem süßen Mädchen so was antun kann, muss ein Monster sein. Was für ein Dreckskerl, ich hoffe, im Gefängnis kriegt er, was er verdient«, empörte sich Víctor mit ungewohnter Leidenschaft.
    »Dreckskerl, hast du gesagt?«, blaffte Flora. »Und was sind diese Mädchen? Die haben’s doch nicht anders gewollt.«
    »Flora, was sagst du denn da!«, fuhr ihr Ros ins Wort. Zum ersten Mal an diesem Abend sah sie ihre Schwester direkt an.
    »Was ich sage? Dass diese Mädchen Flittchen sind. Schaut euch doch nur an, wie sie sich anziehen, wie sie reden, wie sie auftreten. Da muss man sich ja schämen. Ich seh’s ja immer, wenn ich am Marktplatz bin, wie die Huren werfen sie sich den Jungs an den Hals. Kein Wunder, dass sie so enden.«
    »Flora, was du da sagst, ist ungeheuerlich. Rechtfertigst du etwa den Mörder?«, herrschte ihre Tante sie an.
    »Nein, tue ich nicht, aber trotzdem. Wären es brave Mädchen gewesen, die um zehn zu Hause sind, wäre ihnen nichts passiert. So haben sie es zwar nicht verdient, aber sie haben es auch nicht anders gewollt.«
    »Mir ist unbegreiflich, wie du so was sagen kannst«, empörte sich Amaia.
    »Das ist eben meine Meinung. Nur weil sie tot sind, sind sie noch lang keine Heiligen. Ich darf doch meine Meinung sagen, oder etwa nicht?«
    »Der Kerl, der seine Stieftochter getötet hat, ist und bleibt ein Dreckskerl«, meldete sich Víctor wieder zur Wort. »Was er getan hat, lässt sich durch nichts rechtfertigen.«
    Alle waren überrascht, dass er so bestimmt auftrat, aber Flora war regelrecht vor den Kopf geschlagen. Amaia nutzte die Gelegenheit.
    »Johana war ein braves Mädchen, gut in der Schule, zog sich normal an und war immer um zehn zu Hause. Vergewaltigt und ermordet wurde sie ausgerechnet von dem, der sie beschützen sollte: ihrem Vater. Oder besser gesagt: ihrem Stiefvater.«
    »Ha!«, rief Flora und lachte künstlich. »Habe ich mir doch gleich gedacht! Das ist ja wie in einem kitschigen Hollywoodfilm: das traumatisierte Kind. Meine Mami hat mir wehgetan. Ich sag dir mal eins, Schwesterlein, du hast sie auch nicht beschützt, als du sie hättest beschützen sollen.«
    »Von wem sprichst du?«, fragte James, der Amaias Hand genommen hatte.
    »Von unserer Mutter.«
    Ros schüttelte den Kopf, weil sie die Spannung kaum mehr aushielt.
    »Unsere Mutter, als sie alt und krank war. Ein Mal hat sie die Nerven verloren, ein einziges Mal. Aber das hat schon genügt, dass ihre eigene Familie sie verdammt.«
    Amaia sah ihr fest in die Augen, bevor sie antwortete.
    »Das stimmt so nicht, Flora. Für sie hat sich damals nichts geändert, für mich schon.«
    »Weil du bei deiner Tante wohnen musstest? Das hat dir doch gut in den Kram gepasst. Dadurch konntest du tun und lassen,

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