Das Echo dunkler Tage
schienen. Während sie die Mauer entlangging, erinnerte sie sich an einen alten, bei Barandiaran erwähnten Glauben, der besagte, dass sich eine Frau, die dreimal die Kirche umrundete, in eine Hexe verwandelte. Sie kehrte zum Eingang zurück. Eigentlich wollte sie noch das Rathaus besuchen, aber heftige Windböen und eiskalte Tropfen aus den tief hängenden Wolken hielten sie davon ab. Also ging sie die Santiago-Straße hinauf bis zur Konditorei Malkorra, in der mehrere Gruppen von Freundinnen saßen und frühstückten. Als sie eintrat, spürte sie die neugierigen Blicke auf sich. Sie ging zur Theke und bestellte einen Milchkaffee, der besser war als alle anderen Milchkaffees, die sie in letzter Zeit getrunken hatte. Bevor sie wieder aufbrach, kaufte sie noch Urrakin egiña , die traditionelle Schokolade mit ganzen Mandeln, für die das Malkorra berühmt war.
Um nicht nass zu werden, suchte sie unter den Balkonen Schutz. Sie kaufte noch schnell zwei Zeitungen, den Diario de Navarra und Noticias , und ging zu ihrem Auto. Bevor sie losfuhr, ließ sie noch einen Kleinwagen vorbei. Die Blondine am Steuer schien die Frau auf Iriartes Schreibtischfotos zu sein. Weil um diese Uhrzeit die Geschäfte und Restaurants beliefert wurden, kam Amaia nur langsam voran, und als sie das Kommissariat endlich erreichte, war es schon fast zwölf.
Auf ihrem Tisch lagen die Fotos und der Bericht, die man ihr auch schon auf ihren Organizer geschickt hatte. Außerdem enthielten sie nichts anderes als das, was sie schon von Dr. Takchenko wusste: dass die Mehlsorten laut HPLC-Analyse nicht übereinstimmten. Aber es gab auch eine Neuigkeit: Bei dem öligen, mit Ziegenhaut vermischten Fleck, den man auf einer der Schnüre gefunden hatte, handelte es sich um ein Gemisch aus Eisenoxyd, Kohlenwasserstoff und Weinessig.
Iriarte und Zabalza waren nicht da. Vom diensthabenden Beamten erfuhr sie, dass die beiden noch einmal alle Personen befragten, die die Mädchen als Letzte lebend gesehen hatten. Außerdem meldete sich das Krankenhaus von Pamplona: Freddy gehe es etwas besser.
Um halb eins rief Teniente Padua an.
»Inspectora Salazar, ich habe jetzt die Untersuchungsergebnisse im Fall Johana. Der Arm wurde mit einem batteriebetriebenen Messer oder einer Stichsäge abgetrennt, wobei wir zu Ersterem tendieren, wegen der Schnittführung. Und der Teil der Wunde, der fehlt, wurde abgebissen. Erinnern Sie sich, dass wir einen Abdruck genommen haben?«
»Natürlich.«
»Der Biss stammt zweifelsfrei von einem Menschen.«
»Ich fasse es nicht«, rief sie.
»Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber wir haben den Abdruck mit dem Gebiss des Vaters abgeglichen. Er war’s nicht.«
»Ich fasse es nicht«, sagte sie noch einmal.
»Ich auch nicht«, erwiderte Padua.
»Morgen ist Johanas Beerdigung, das soll ich Ihnen von ihrer Mutter ausrichten.«
»Danke«, sagte sie, war aber in Gedanken ganz woanders. »Teniente Padua, ein Informant hat mir berichtet, er hätte in der Gegend von Arri Zahar etwas Verdächtiges gesehen, rechts vom Fluss, hinter dem Buchenwald, etwa vierhundert Meter den Hang hinauf. Offenbar liegen dort einige Höhlen. Nichts von Bedeutung wahrscheinlich, aber …«
»Ich werde es den Leuten von der SEPRONA durchgeben.«
»Danke!«
»Ich habe Ihnen zu danken, Inspectora«, sagte er zögerlich und senkte die Stimme, damit niemand mithören konnte. »Sie sind eine verdammt gute Ermittlerin. Und außerdem ein guter Mensch. Sollten Sie mal wieder Hilfe brauchen …«
»Nicht der Rede wert, Teniente, wir sitzen doch alle im selben Boot. Aber ich werde vielleicht darauf zurückkommen.«
Sie legte auf und blieb reglos sitzen, als könnte jede Bewegung ihren Gedankenfluss hemmen. Dann suchte sie im Internet nach einem bestimmten Forum und mailte eine Frage. Sie holte sich einen Milchkaffee, stellte sich ans Fenster und trank ihn in kleinen Schlucken. Schließlich rief sie James an.
»Hast du Lust, mit deiner Frau zu Mittag zu essen?«
»Und wie! Kommst du nach Hause?«
»Ich dachte eher an auswärts.«
»Einverstanden. Bestimmt hast du schon was im Auge.«
»Wie gut du mich kennst! Um zwei im El Kortarixar, das ist eines von Tante Engrasis Lieblingsrestaurants. Liegt bei ihr um die Ecke, am Ortsausgang, Richtung Irurita. Ich habe uns einen Tisch reserviert. Wenn ihr zuerst da seid, bestellt schon mal eine Flasche Wein.«
Als sie das Kommissariat verließ, war es Viertel nach eins. Sie beschloss, vor dem Essen noch beim Friedhof
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