Das Echo dunkler Tage
Teil, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie hatte zum Beispiel ein besonderes T-Shirt, das sie immer zu einem bestimmten Rock oder zu einer bestimmten Hose trug. Und dann waren hauptsächlich Sommersachen weg, die sie doch gar nicht brauchen konnte, und ein Pullover, der ihr viel zu klein war. Sogar die ganz neuen Sachen waren noch da, und das, obwohl sie mich eine Woche lang bekniet hatte, sie ihr zu kaufen.«
»Wo ist Ihr Mann jetzt?«
»Als heute Morgen die Polizei bei uns war, um uns mitzuteilen, dass man eine Mädchenleiche gefunden hat, wurde er blass wie die Wand und wäre beinahe umgekippt. Er musste sich sogar hinlegen. Wenn er krank ist, dann weil er weiß, was er getan hat, weil er weiß, dass man ihn festnehmen wird. Das werden Sie doch tun, oder?«
Amaia stand auf.
»Ich muss Sie bitten hierzubleiben. Ich sorge dafür, dass Sie dann nach Hause gefahren werden.« Die Frau wollte schon protestieren, aber Amaia fiel ihr ins Wort. »Die Leiche Ihrer Tochter werden wir vorerst hierbehalten. Ich will, dass dieser Fall aufgeklärt wird und dass alle, die Johana lieb hatten, ihren Frieden finden. Und dafür brauche ich Ihre Hilfe.«
Inés blickte auf und sah Amaia in die Augen.
»Sagen Sie, was ich tun kann!«
Von San Martìns Büro aus hatte man einen guten Blick auf den Raum gegenüber. Inés Lorenzo saß zusammengesunken da, drückte sich ihr feuchtes weißes Stofftaschentuch ins Gesicht. Neben ihr stand ihre kleine Tochter und sah sie traurig an, wagte aber nicht, sie zu berühren.
»Wie heißt der Mann eigentlich?«
Padua, der bislang geschwiegen hatte, räusperte sich, trotzdem klang seine Stimme heiser und dünn.
»Jasón, Jasón Medina«, sagte er und sackte regelrecht zusammen.
»Ist Ihnen aufgefallen, dass sie seinen Namen nicht ein einziges Mal erwähnt hat?«
Padua dachte darüber nach.
»Wie wollen wir vorgehen? Dass wir Jasón Medina verhören, ist klar, die Frage ist nur, wo, in der Kaserne oder auf dem Kommissariat.«
Teniente Padua richtete sich auf und sah zu einem Punkt an der Wand, bevor er antwortete.
»Ich finde, er sollte in der Kaserne verhört werden. Wenn es nicht der Basajaun war, ist es unser Fall, schließlich haben wir die Leiche gefunden. Ich werde dafür sorgen, dass er festgenommen und in die Kaserne gebracht wird. Trotzdem danke ich Ihnen für die Zusammenarbeit.«
Padua stand auf, tastete in seiner Jackentasche nach seinem Handy, zog es heraus, wählte eine Nummer, entschuldigte sich linkisch und verließ das Büro.
»Trotzdem danke ich Ihnen für die Zusammenarbeit«, äffte Jonan ihn nach. »Blödmann.«
»Was meint ihr?«, fragte Amaia.
»Meiner Ansicht nach versucht da jemand, die Tat einem anderen in die Schuhe zu schieben. Zu unserem bisherigen Täter passt sie jedenfalls nicht. Dass der Ehemann nicht der Vater ist, scheint mir wichtig zu sein. Viele Akte sexueller Gewalt gehen auf das Konto von Stiefvätern. Dass er Johana nicht mehr seine Tochter nannte, ist ein Hinweis darauf, dass er sie plötzlich als Frau gesehen hat. Merkwürdig ist auch, dass er fälschlicherweise behauptet hat, sie sei an besagtem Montag zu Hause gewesen.«
»Vielleicht wollte er nur seine Frau beruhigen«, schlug Jonan vor.
»Genau, weil er sie nämlich vergewaltigt und ermordet hatte und wusste, dass sie nicht wieder nach Hause kommen würde. Das würde auch erklären, wieso sein Kontrollwahn gerade in dem Moment nachließ und er sogar das Ortungssystem gekündigt hat.«
Amaia sah einen nach dem anderen an und kniff skeptisch den Mund zusammen.
»Der Vater hat was mit dem Mord zu tun, da bin ich mir sicher. Trotzdem gibt es da einiges, was mir nicht recht einleuchtet. Nehmen wir an, der Täter hat in der Zeitung über die Morde gelesen und hat versucht, seine Tat dem Basajaun in die Schuhe zu schieben. Er ist brutal, schlägt sie, reißt ihr die Kleidung vom Leib und erwürgt sie. Bei unserem bisherigen Täter hat die Inszenierung der Leiche aber etwas geradezu Religiöses. Würde man mir die beiden Profile getrennt vorlegen, käme ich zu dem Schluss, dass es sich um zwei Täter handelt. Oder einen Täter mit einer gespaltenen Persönlichkeit, einem skrupellosen Mr. Hyde und einem von Gewissensbissen geplagten Dr. Jekyll, der dem Mädchen zwar einen Arm abschneidet, sie aber mit Parfüm bespritzt, wie um sie zu konservieren oder sich selbst vorzugaukeln, dass sie noch am Leben ist.«
Padua kam herein, sein Handy in der Hand.
»Jasón Medina ist geflüchtet. Die
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