Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari
trug. Noch gestern Abend hatte ich das für den besten Aufbewahrungsort gehalten ... Ich hatte höchstens zehn Kronen Kleingeld in der Tasche. Für jeden Bewohner der Hauptstadt wäre das ein Vermögen gewesen, aber nicht für mich. Beinahe dreißig Jahre bescheidenes Leben hatten nichts genutzt: Ich machte gerade eine Phase pathologischer Verschwendung durch. Ich spürte das wilde Bedürfnis, mit Geld um mich zu werfen, und bekam bei dem Gedanken an Rechnungen und an mein Budget Kopfschmerzen.
Ich beschimpfte mich, nannte mich mindestens dreißig Mal Dummkopf und kapitulierte dann. Nein, einen so hübschen Laden konnte ich unmöglich ohne Souvenir verlassen. Obendrein war mir ein zweiter Stadtplan von Kettari aufgefallen, der raffiniert auf Leder genäht war -ein echtes Kunstwerk!
»Was soll der denn kosten?-, fragte ich den Verkäufer, der mich die ganze Zeit beobachtet hatte.
»Für Sie nur drei Kronen«, antwortete der junge Mann frech.
Dieser Preis war unverschämt. Sachen, die noch aus der Epoche des Gesetzbuchs stammen, waren selbst in der Hauptstadt billiger zu haben!
»Das muss ich mir noch überlegen«, meinte ich und verzog das Gesicht. »Ich habe den Eindruck, eine Krone ist vollauf genug, und die bin ich bereit zu zahlen. Leichtsinn muss manchmal sein.«
Der Verkäufer musterte mich ungläubig. Ich machte die hiesige Lieblingsgeste und tippte mir zweimal mit dem rechten Zeigefinger an die Nasenspitze. Anscheinend war das die beste Lösung für alles, da die Situation wie gewünscht endete.
Ein paar Minuten später saß ich bereits in einer hübschen, gemütlichen Imbissstube, bestellte mir eine Portion Kamra und sah mir den neu erworbenen Stadtplan an.
Eigentlich habe ich nie zu den besonders aufmerksamen Leuten gehört, und hätte ich nicht die Angewohnheit, auf jedem Plan mein Quartier zu suchen, hätte ich sicher nichts gemerkt.
Aber was war los mit meinem Haus? Auf dieser Karte gab es gar keine Alte, wohl aber eine Erfrischende Promenade! Ich legte beide Pläne nebeneinander und verglich sie aufmerksam. Es gab noch viele andere Unstimmigkeiten, und erstaunt schüttelte ich den Kopf. Allem Anschein nach war der erste Stadtplan der richtige. Jedenfalls war ich mit ihm unterwegs gewesen und hatte dort meine Route eingetragen. Oder waren beide Karten nutzlos?
Ich trank rasch meine Kamra aus, steckte die geheimnisvollen Souvenirs ein und verließ den Imbiss. Aufmerksam las ich den Straßennamen Runde Gasse. Na bitte! Jetzt musste ich nur noch in meine Pläne schauen.
Diesmal hatte der neu erworbene Lederstadtplan Recht, denn er verzeichnete die Runde Gasse dort, wo sie war. Mein zuerst gekaufter Plan hingegen zeigte hier eine Siebenkräutergasse. Schöne Bescherung!
Offenbar bin ich dem Geheimnis schon auf der Spur, dachte ich niedergeschlagen und bedauerte sehr, wie rasch meine Urlaubsstimmung verflogen war. Und dieses Geheimnis sieht gar nicht gut aus, überlegte ich weiter. Sündige Magister! So ein kartografisches Chaos eignet sich für einen Tollpatsch wie mich ganz und gar nicht. So ein Rätsel ist was für Mister Sherlock Holmes. Doch der lebt nur in Büchern und kann alles - ich hingegen bin lebendig und dumm wie Brot. Bestimmt kennt sich selbst Lonely-Lokley mit solchen Stadtplänen besser aus als ich. Schürf aber hat zu stark am Joint gezogen und verprasst sein Geld in den Spelunken der Stadt. Allmächtiger Himmel - was treibst du mit mir?
Dem Himmel freilich war mein Gejammer egal. Nicht mal eine winzige Wolke erschien über den Trümmern meines Verstandes.
Ich sah auf, warf dem kaltherzigen Firmament einen bösen Blick zu und ging weiter.
Jetzt interessierte ich mich nur noch für Buchhandlungen und Antiquitätenläden. Überall kaufte ich Stadtpläne von Kettari und feilschte wie ein Löwe um den Preis. In meiner Not war ich zu allem fähig. Nur eins schaffte ich nicht: die Verkäufer davon zu überzeugen, mich dafür zu bezahlen, dass ich ihnen ihre Waren abnahm.
Bei Sonnenuntergang merkte ich, wie müde ich war. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich vor einem Schild mit der Aufschrift Alt-Kettaii stand. Das Wirtshaus lag dort, wo die Hohe Straße und die Straße der Fischaugen sich trafen, und hatte darum zwei Eingänge. Die etwas weiter entfernte Tür schien der Haupteingang zu sein und war mit einer riesigen, ihren Schaumlöffel schwingenden Lady bemalt. Die Tür, vor der ich stand, gefiel mir sehr viel besser: Es handelte sich um eine normale Holztür, auf die die
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