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Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari

Titel: Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frei
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leiden.
    Kaum hatte ich in Empfang genommen, was der Bote mir gebracht hatte, legte ich die Decke an ihren Platz zurück und begann genüsslich zu frühstücken. Nach der ersten Portion Kamra fühlte ich mich schon viel aufgeweckter und dachte mir, die impulsive und streitlustige Lady Melamori hätte bessere Gründe finden können, um mit Sir Melifaro zu wetten. Sie war noch nie bei mir gewesen, hatte aber keine Bedenken, Spekulationen über mein häusliches Leben anzustellen. Die Wette, wann ich wach werden würde, war nicht nur ein guter Weg, Informationen über meinen Tagesrhythmus zu bekommen, sondern auch eine diskrete Methode, sich bei mir in Erinnerung zu bringen. Prompt meldete ich mich per Stummer Rede bei diesem unfassbaren Wesen.
    »Guten Tag, Unvergessliche!«
    »Nicht Guten Tag, Sir Schlafmütze - Guten Abend! Deinetwegen hab ich eine ganze Krone verloren.«
    »Ich nehme reuig alle Schuld auf mich, aber ich habe eine furchtbare Nacht hinter mir. Sir Juffin ist mir im Traum erschienen - kannst du dir das vorstellen!? Ich verdiene Mitleid, keine Vorwürfe.«
    »Ich bin in einer halben Stunde bei dir. Sir Juffin hat mir anvertraut, dass du heute Nacht dienstfrei hast, und ich habe grandiose Pläne.«
    Beinahe wäre ich vor Glück gestorben und ging mich rasch anziehen. Wenn mich auch Lady Melamori mit der Wolldecke meines Katers erwischte, würden meine Aktien bei ihr bestimmt sinken. Vielleicht aber auch nicht.
    Es klingelte, und in der Tür stand die Verfolgungsmeisterin, sichtlich berauscht von ihrer Entschlossenheit. Ich war inzwischen umgezogen und zu allen Schandtaten bereit, also dazu, ein wenig - notfalls aber auch tausend Meilen - mit Lady Melamori über die Mosaikgehsteige von Echo zu schlendern. Zusammen spazieren zu gehen war das, was Menschen, die sich mochten, ihrer Meinung nach tun sollten. War unsere Sympathie wirklich gegenseitig? Melamoris begeisterte Augen jedenfalls erlaubten diesen Rückschluss.
    Diesmal spazierten wir in die Neustadt. Das dauerte anderthalb Stunden. Melamori erzählte mir viele Gerüchte, denen ich nur mit halbem Ohr lauschte. Ich war auch ohne diesen Tratsch überglücklich.
    »Ich kenne hier ein nettes Lokal«, sagte meine bezaubernde Begleiterin und verlangsamte den Schritt. »Es handelt sich um eine alte Villa mit Garten. Abends werden da die gräulichsten Getränke verkauft. Deshalb ist es immer so gut wie leer.«
    »Es gibt eine Menge menschenleere Orte, an denen es die seltsamsten Getränke gibt - zum Beispiel bei mir zu Hause«, sagte ich lachend. »Warum sind wir dann so weit gegangen?«
    »Das ist ein besonderes Lokal. Früher befand sich dort die Sommerresidenz des Ordens des Geheimen Krauts. Damals war Echo noch viel kleiner, wie du sicher schon gemerkt hast. Komm, wir sind da. Es gefällt dir bestimmt.«
    Wir betraten einen langweiligen Garten, doch der erste Eindruck täuschte. Rasch ging die Anlage in eine angenehm verwilderte Obstplantage über, die viele Glaskugeln bläulich beleuchteten. Dort gab es keine Tische, sondern nur kleine, lauschige Bänke, die zwischen Kach-Sträuchern aufgestellt waren. Die Pflanzen erinnerten mich an Wacholderbüsche. Die Luft im Garten war erstaunlich kühl und klar und wirkte herrlich erfrischend, ohne uns frieren zu lassen. Ich fühlte mich verjüngt und hatte den Eindruck, die Welt um mich her berge viele Geheimnisse. Und so war es ja sicher auch.
    Ich strahlte Lady Melamori an.
    »Stimmt - hier ist es wirklich hübsch.«
    »Danke, aber bestell besser keine Kamra - die schmeckt hier erbärmlich. Wenn schon, dann lieber etwas Stärkeres. Solche Getränke sind schwer zu verderben.«
    »Etwas Stärkeres? Lieber nicht - ich hatte bis vorhin noch Kopfschmerzen von meinen Ermittlungen zum Jahreswechsel.«
    »Pech für dich. Ich kann mich richtig volllaufen lassen - ich hab ja Urlaub.«
    »Na dann prost. Ich hoffe, hier gibt es auch Mineralwasser. Das ist es nämlich, was ich jetzt brauche.«
    Leider gab es in dem Gartenlokal kein Wasser. Deshalb musste ich eine Schale Kompott bestellen. Ich glaube, Melamori und ich bildeten ein seltsames Paar: eine kleine, zerbrechlich wirkende Dame, die Dschubatinischen Säufer trank, und ein gesund aussehender junger Mann im Todesmantel, der sich an einem Dessert gütlich tat.
    »Wenn wir uns schon unterhalten müssen, dann am besten hier«, stellte Melamori, deren Wangen vom Alkohol leicht gerötet waren, plötzlich fest, schwieg aber sogleich wieder, als habe ihre Stimme sie erschreckt.

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