Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari
ich, weil er die Traurige Zeit nicht nur aus Büchern, sondern aus den Erzählungen von Zeitzeugen kennt. Das kann er dir selbst berichten, falls er es noch nicht getan hat. Aber ich will nicht, dass mir jemand gefällt, der ...«
»... dir nicht aus der Hand frisst?«, fragte ich verständnisvoll.
»Genau. So bin ich nun mal erzogen. Wenn ich etwas nicht verstehe, macht es mir Angst. Die Devise des Ordens des Siebenzackigen Blattes lautet: Vorsicht und Erkenntnis. Und zwar in dieser Reihenfolge. Und weil ich ziemlich viel weiß und mir beinahe alles erklären kann, bin ich auch kein Angsthase. Aber ich brauche dich nur anzuschauen, Max, und bin ganz verwirrt.«
»Da hilft nur eins«, antwortete ich. »Du musst mich besser kennen lernen. Schieb die ewige Vorsicht beiseite und lass dich auf mich ein. Dann siehst du bald, dass ich ein ganz normaler Langweiler bin, und alles wird gut. Aber beeil dich damit, denn beim nächsten Vollmond verliere ich meine menschliche Gestalt.«
Ich konnte mich nur amüsieren, weil ich diese Art Probleme mit Mädchen noch nie gehabt hatte. Die hatten sich an ganz anderen Dingen gestört. Deshalb nahm ich optimistisch an, es würde leicht sein, Melamoris Ängste zu zerstreuen. Wenn sie mich besser kennen gelernt hätte, würde sie begreifen, dass ich alle möglichen Gefühle wecken konnte, keinesfalls aber Angst.
Der Abend endete mit einem ausgezeichneten Wein im Gästezimmer von Lady Melamori. Dort landeten wir nicht allein, sondern in Gesellschaft ihrer - man stelle sich das vor! - acht Freundinnen. Eine war hübscher als die andere, und sie zwitscherten so laut, dass ich Kopfschmerzen bekam.
Melamori übertrieb reichlich mit starken Getränken, und darum bekam ich zum Abschied einen ernsthaften, beinahe echten Kuss. Ich war so verwirrt, dass ich beschloss, mich einfach darüber zu freuen. Egal, was danach käme.
Den Rest der Nacht spazierte ich durch Echo und erschreckte Passanten mit meinem Todesmantel. Kühnste Erwartungen jagten mir durch den Kopf. Ein Instinkt, der bisher geschlummert hatte, verlangte nach Heldentaten, doch meine anerzogene Zurückhaltung hielt mich davon ab, in Lady Melamoris Schlafzimmer einzudringen.
Stattdessen kehrte ich widerwillig in meine Wohnung zurück. An Schlaf allerdings war nicht zu denken. Zwei Stunden lag ich grübelnd im Bett, ehe ich mich aufraffte und viel früher ins Haus an der Brücke ging als üblich.
Du kannst nicht schlafen, was, Max?«
Selten hatte ich meinen Chef zufrieden erlebt - und so glücklich wie heute noch nie.
»Was ist passiert? Ist Bubuta gestorben?«
»Ach, dem geht's gut. Er will dich und Melifaro einladen, wenn er das Bett wieder verlassen darf. Sei also auf das Schlimmste gefasst. Ich glaube, es lebt sich schwer damit, der Retter von General Bubuta Boch zu sein, und vermute, seine Dankbarkeit wird dich sehr viel mehr strapazieren als sein Zorn. Aber was soll's! Erinnerst du dich noch an die Tschakata-Pirogge?«
»Natürlich. Haben Sie davon wieder mal eine Portion auftreiben können?«
»Es geht um grundsätzlichere Dinge: Demnächst wird diese Pirogge allen zugänglich sein, auch dir und mir.«
»Wollen Sie das Chrember-Gesetzbuch umschreiben?«
»Ich wusste doch schon immer, dass du einen guten Riecher hast. Du hast es wieder mal erraten, Max. Umschreiben will ich das Gesetzbuch zwar nicht, doch ich habe vor, eine kleine Korrektur anzubringen. Der Entwurf ist schon vorbereitet. Wir brauchen nur noch die Zustimmung des Großen Magisters Nuflin. Deshalb fahren wir jetzt zu ihm.«
»Juffin«, begann ich, weil mein Erstaunen mir die Sprache nicht ganz verschlagen hatte, »wozu brauchen Sie mich dabei? Ich bin mit dem Leben in Echo vollauf zufrieden. Glauben Sie wirklich, Sie müssen unbedingt mich in die Residenz des Ordens des Siebenzackigen Blattes mitnehmen? Was sagen Sie zu meiner Augenfarbe? Fürchten Sie nicht, eines Tages im Cholomi-Gefängnis zu landen, weil Sie sich mit einem fremden Wesen wie mir abgeben? Lady Melamori würde das sicher nicht gutheißen.«
»Hat sie dir das eingeredet? Sie ist schon ein lustiges Mädchen. Aber Sir Nuflin ist im Gegensatz zu ihr ein ernster Mensch. Und er ist schon vierhundert Jahre alt. Er weiß sehr viel über erlaubte und erst recht über unerlaubte Magie. Am Ende der Traurigen Zeit haben sich seine Boten mir zu Füßen geworfen, weil er so gut Bescheid wusste. Ohne Leute wie mich und Sir Maba hätte der Orden der Wasserkrähe ...«
»Wasserkrähe?«, kicherte
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