Das Echo
Terry zweifelnd. »Das glaub’ ich nicht, Mike. Erstens hätte er sich an der falschen Person gerächt, und zweitens kann nicht mal Rache schmecken, wenn sie so eiskalt geworden ist.«
Deacon lachte. Er würde dem Jungen nie sagen, wie sehr er die Courage bewunderte, die er soeben bei der Versöhnung mit Barry gezeigt hatte, aber das hieß nicht, daß die Bewunderung nicht vorhanden war. Ähnlichkeiten mit seiner Beziehung zu seiner Mutter? Letztendlich war vielleicht gerade verborgene Liebe um so stärker. Clara hatte bis zu dem Tag, an dem sie ihn verlassen hatte, nicht aufgehört, ihm ihre Liebe zu beteuern.
»Na schön, du Schlaumeier, mach einen besseren Vorschlag.«
»Hab’ ich nicht. Ich denke einfach, es war alles Schicksal. Amanda hätte mit jedem Journalisten reden können, aber sie hat sich genau den rausgesucht, der sich da so reinhängt, daß die Geschichte am Kochen bleibt. Und du hast selbst gesagt, daß du mit Billy schicksalhaft verbunden bist.«
»Sie hat mich nicht ausgesucht«, widersprach Deacon. »Ich habe sie ausgesucht, oder, genauer gesagt, mein Chef hat sie ausgesucht und mich gegen meinen Willen zu einem Interview mit ihr losgeschickt. Je nachdem, was sie zu erreichen hoffte, war es entweder Glück oder Pech für sie, daß sich manche Ereignisse in Billys Leben schwach in meinem Leben reflektieren.«
Doch so leicht war Terry nicht von seiner Meinung abzubringen. »Denk an mich. Ich hätt’ dich nie wegen Billy angerufen, aber dann mußte ich es tun, wegen Walt. Und wenn Mr. Harrison Tom nicht erkannt hätte, hätte ich auch keine Angst gehabt, daß er mich in die Pfanne haut, und wenn du den alten Lawrence nicht getroffen hättest und ihn überredet hättest, uns zu helfen, hätte der dir keinen Vortrag über elterliche Fürsorge gehalten« - er machte eine Pause, um Luft zu holen -, »und dann wär’ ich jetzt nicht hier. Und Barry hätte nicht gesoffen und wär’ dann sternhagelvoll rausgefahren zu Amanda, und wir wüßten nicht, daß Nigel de Vriess immer noch was mit ihr hat. Wenn das nicht Schicksal ist!« schloß er triumphierend. »Hab’ ich recht, Barry?«
Barry senkte den Kopf, um seine Brille abzunehmen. Er war so erschöpft nach den emotionalen Stürmen der letzten vierundzwanzig Stunden, daß es ihm immer schwerer fiel, dem Gespräch zu folgen. »Das kommt wahrscheinlich darauf an, ob man glaubt, daß alles Zufall ist, wie mein Vater das glaubte«, sagte er langsam. »Er war überzeugt, daß das Leben keinen anderen Sinn hätte als die Erhaltung der Art und daß man diese sinnlose Existenz entweder leidend ertragen oder sich an ihr erfreuen könne. Aber um sich an ihr zu freuen, müsse man vorausplanen, um das Risiko unangenehmer Zwischenfälle zu verringern.« Er lächelte wehmütig. »Und dann ist er an einem Herzinfarkt gestorben.«
»Bist du seiner Meinung?« fragte Deacon neugierig.
»O nein, ich stimme mit Terry überein. Ich glaube, das Schicksal spielt im Geschick jedes einzelnen eine Rolle.« Er setzte seine Brille wieder auf und verkroch sich nervös hinter ihr. »Meiner Ansicht nach spielt es gar keine Rolle, warum Verity sich das Leben genommen hat, jedenfalls nicht im Hinblick auf Amanda Powell.« Er tippte mit einem kurzen, dicken Finger auf Deacons Tafel, dorthin, wo die Frage stand: Wo war Billy im April 1990? »Das ist Billy Blakes Schicksal, nicht Peter Fentons. Peter Fenton ist 1988 gestorben.«
Die Glocken draußen schwiegen, als der erste Weihnachtsfeiertag anbrach.
Seltsame Träume suchten Deacon in dieser Nacht heim. Er schrieb es der Tatsache zu, daß er zum Schlafen das Sofa vorgezogen hatte, um Terry und Barry sicher hinter verschlossenen Türen zu wissen. Aber später dachte er manchmal, es sei zu einfach, zu behaupten, daß die unruhige Nacht im Zusammenspiel mit unbewußten Ängsten vor falschen Beschuldigungen, versuchter Vergewaltigung und Erinnerungen an seinen Vater dazu geführt habe, daß er von einem blutüberströmten James Streeter träumte.
Um vier Uhr morgens fuhr er wild um sich schlagend aus dem Schlaf, überwältigt von dem Wissen, daß er James war und Sekunden vor dem letzten wuchtigen Schlag, der ihn töten würde, erwacht war. Sein Gesicht war in Schweiß - Blut ? - gebadet, und sein Herz hämmerte laut in der Stille der Nacht. Und als des Herzens Schlag begann, welch Schreckensfuß, welche Schreckenshand ... War das ein Traum? Der Vater weinte, die Mutter gellt! So sprang ich in die rauhe Welt… Wer bin ich?
Weitere Kostenlose Bücher