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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Zeitpunkt schon zu geschwächt. Wo ist denn Ihr Büro genau?«
    »Zweihundert Meter von der alten Lagerhalle entfernt, in der Billy untergekrochen war. Das ganze Gebiet soll saniert werden. Unser Büro hat Räume in einem Lagerhaus gemietet, das vor drei Jahren während der ersten Sanierungsphase renoviert wurde. Die Polizei war der Meinung, die Tatsache, daß die beiden Gebäude so nah beieinander liegen, könne kein Zufall sein, aber ich bin nicht unbedingt dieser Meinung. Zweihundert Meter sind in einer Stadt wie London eine große Entfernung.»Sie wirkte unzufrieden, und er vermutete, daß sie dieses Argument weniger überzeugend fand, als sie vorgab.
    Er hob die Blätter seines Blocks, um nochmals das Bild des Totenschädels zu studieren. »Ist dieses Haus hier ein Meredith-Bau?« fragte er, ohne aufzusehen. »Haben Sie es billiger bekommen, weil Sie Angehörige der Firma sind?«
    Sie antwortete nicht gleich. »Ich denke, das geht Sie nichts an«, sagte sie dann.
    Er lachte leise. »Wahrscheinlich nicht, aber ein Haus wie dieses kostet ein Vermögen, und bei der Inneneinrichtung haben Sie auch nicht gerade gespart. An Kleingeld fehlt es Ihnen nicht, wenn Sie sich das alles hier leisten und fünfhundert Pfund für die Einäscherung eines Unbekannten ausgeben können. Ich bin neugierig, Amanda. Sie sind entweder eine sehr erfolgreiche Architektin, oder Sie haben eine andere Einkommensquelle.«
    »Ich sagte es schon, Mr. Deacon, es geht Sie nichts an.« Flüchtig verzerrte der Alkohol wieder ihre Aussprache. »Wollen wir nicht zu Billy zurückkehren?«
    Er zuckte die Achseln. »Sie hätten es vermutlich bemerkt, wenn so jemand Sie beobachtet hätte?« fragte er, mit dem Finger auf das Foto tippend.
    Sie richtete sich langsam auf, einen zweifelnden Ausdruck im Gesicht. »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Wie hätten Sie ihn übersehen können?«
    »Durch die Vermeidung von Blickkontakt«, bekannte sie widerstrebend. »Das ist das einzige Mittel, sich vor Belästigung zu schützen. Selbst wenn ich jemandem etwas gebe, sehe ich die Person nur selten an. Ganz sicher könnte ich später keine genaue Beschreibung von ihr geben.«
    Deacon dachte an die obdachlosen Jugendlichen, die er bereits für seinen Artikel interviewt hatte, und wurde sich bewußt, daß er Mühe hätte, die einzelnen jungen Leute zu beschreiben. Es deprimierte ihn, es zugeben zu müssen, aber sie hatte recht. Aus reiner Verlegenheit sah man die Notleidenden niemals zu lange an.
    »Gut«, meinte er, »sagen wir, es war reiner Zufall, daß Billy sich Ihre Garage aussuchte, um darin zu sterben. Dann muß aber doch jemand ihn bemerkt haben. Wenn er auf der Suche nach einem Versteck durch die Straßen ging, gerade in einem exklusiven Viertel wie diesem, kann er nicht unbemerkt geblieben sein. Hat jemand von Ihren Nachbarn sich als Zeuge gemeldet?«
    »Niemand hat ein Wort gesagt.«
    »Hat die Polizei nachgefragt?«
    »Das weiß ich nicht. Das Ganze war innerhalb von drei oder vier Stunden vorüber. Der Arzt kam und erklärte ihn für tot, und das war’s. Der Arzt sagte, er sei eines natürlichen Todes gestorben, und der Constable, der auf meinen Notruf gekommen war, behauptete, ihnen allen wäre klar gewesen, daß es nur eine Frage der Zeit sei, bis Billy Blake irgendwo als Leiche gefunden werden würde. Seine Worte waren: ›Der dumme alte Kerl hat ja seit Jahren Selbstmord auf Raten begangen. Kein Mensch kann so leben wie er und erwarten, daß er das überlebt.‹«
    »Haben Sie ihn gefragt, was er damit gemeint hat?«
    »Er sagte, die einzigen ordentlichen Mahlzeiten hätte Billy im Gefängnis zu sich genommen. Sonst hätte er von Alkohol gelebt.«
    »Der arme Kerl«, sagte Deacon mit einem Blick auf ihr Glas. »Ein Leben mit Narkose war wohl erträglicher als ein Leben ohne.«
    Wenn sie die Anzüglichkeit seiner Bemerkung registrierte, so zeigte sie es nicht. »Ja«, antwortete sie nur.
    »Sie meinten, Billy Blake sei nicht sein wahrer Name gewesen; den habe er sich erst zugelegt, als er vor vier Jahren zum erstenmal festgenommen wurde. Woher hatte er dann aber das Geld, um sich Alkohol zu besorgen? Um Sozialhilfe zu bekommen, hätte er sich anmelden müssen.«
    Sie schüttelte wieder den Kopf. »Das habe ich die alten Männer in der Lagerhalle auch gefragt, und sie haben gesagt, er hätte sich lieber mit Bettelei durchgeschlagen als von staatlichen Almosen zu leben. Er hat unten an der Themse, wo die Vergnügungsboote losfahren, Pflasterbilder gemalt

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