Das Echo
Wechselspiel der Gefühle, die sich in ihrem Gesicht spiegelten. Er vermutete, daß ein offenerer Mensch als sie vermutlich nicht nur Bekümmerung, sondern tiefe Verzweiflung gezeigt hätte.
»Wenn es Ihnen so wichtig ist, warum engagieren Sie dann nicht einen Privatdetektiv?« meinte er.
»Haben Sie eine Ahnung, was diese Leute verlangen?«
»Sie sind der Möglichkeit also nachgegangen?«
Sie nickte. »Und ich könnte die Kosten niemals rechtfertigen. Man hat mir gesagt, so was könnte Wochen oder sogar Monate dauern, und es gibt keine Erfolgsgarantie.«
»Aber wir haben doch bereits festgestellt, daß Sie eine wohlhabende Frau sind. Vor wem müßten Sie denn die Kosten rechtfertigen?«
Ein Schatten von Emotion - Verlegenheit? - flog über ihr Gesicht. »Vor mir selbst«, antwortete sie.
»Nicht vor Ihrem Mann?«
»Nein.«
»Heißt das, er hätte nichts dagegen, wenn Sie ein Vermögen dafür ausgäben, die Familie eines unbekannten Toten ausfindig zu machen?« Der nicht faßbare Mr. Powell erregte seine Neugier.
Sie sagte nichts.
»Sie haben Billy bereits dadurch Respekt gezollt, daß Sie seine Bestattung bezahlt haben. Warum reicht Ihnen das nicht?«
»Weil das Leben zählt, nicht der Tod.«
»Das reicht als Begründung nicht aus, jedenfalls für eine solche Besessenheit wie die, von der Sie offenbar erfaßt sind.«
Sie lachte wieder, und das Geräusch ließ Deacon aufhorchen. Es war viel zu schrill, aber er konnte nicht sagen, ob es der Alkohol war - oder Furcht? -, der den Unterton von Hysterie hervorgerufen hatte. Sie machte eine sichtbare Anstrengung, sich in den Griff zu bekommen. »Sie kennen sich wohl aus mit Besessenheit, Mr. Deacon?«
»Ich weiß, daß hinter dieser Geschichte noch etwas anderes steckt, was Sie mir nicht verraten haben. Mir scheint, Sie unternehmen außerordentliche Anstrengungen, um Billy Blake zu identifizieren und seine Familie zu finden. Beinahe«, fügte er nachdenklich hinzu, »als fühlten Sie sich verpflichtet. Ich glaube, daß Sie mit ihm gesprochen haben, und er Sie bat, etwas Bestimmtes zu tun. Habe ich recht?«
Sie starrte mit dem gleichen Ausdruck der Enttäuschung durch ihn hindurch, den seine Mutter gezeigt hatte, als er sie das letztemal gesehen hatte. So oft hatte er gewünscht, er hätte damals einen Versuch der Versöhnung gemacht, daß er jetzt in einem seltsamen, wirren Akt der Übertragung für eine Fremde zu tun versuchte, was er für Penelope nicht getan hatte. Er legte Amanda teilnehmend die Hand auf den Arm, aber ihre Haut war kalt und abweisend unter seiner Berührung, und wenn sie die Geste überhaupt wahrnahm, zeigte sie es nicht.
Statt dessen lehnte sie ihren Kopf an die Rückenlehne des Sessels und starrte zur Decke hinauf, und Deacon war, als wäre eine Tür zugefallen, eine Gelegenheit verpaßt.
»Könnten Sie dafür sorgen, daß ich meine Garagenschlüssel zurückbekomme, wenn Sie in Ihre Redaktion zurückfahren?« fragte sie höflich. »Wenn Ihre Kollegin nicht noch draußen ist, hat sie sie mitgenommen.«
»Was hat er zu Ihnen gesagt, Amanda?«
Sie sah ihn flüchtig an, aber es war nur Langeweile in ihren Augen zu lesen. Er war für sie nicht länger von Interesse. »Ich habe Ihre und meine Zeit verschwendet, Mr. Deacon. Ich hoffe, Sie finden ohne große Schwierigkeiten ein Taxi. Es ist im allgemeinen leichter, wenn Sie sich links halten, sobald Sie aus der Anlage herauskommen, und dann die Hauptstraße hinaufgehen.«
Er wünschte, er verstünde sich besser darauf, weibliche Charaktere zu verstehen. Er war überzeugt, daß sie ihn belog, aber Frauen belogen ihn seit Jahren, ohne daß er merkte, wann sie es taten.
Am Empfang warteten eine Nachricht und zwei Schlüssel. »Was für eine Ziege! Hoffe, sie hat Dich nicht bei lebendigem Leib gefressen, nachdem ich weg war. Ich hab’ ihre blöden Schlüssel eingesteckt und vergessen. Hier sind sie zusammen mit Deinen Autoschlüsseln. Ich dachte, es sei besser, Du gibst sie zurück und nicht ich. Falls es Dich interessiert, ich hab’ den Film bei Barry abgegeben. Er hat versprochen, ihn heute abend zu entwickeln. Bis morgen. Lisa.«
Deacon hatte es nicht eilig und ging in die dritte Etage hinauf, wo Barry Grover in einer Doppelrolle als Filmentwickler und Archivbibliothekar wirkte. Er war ein ziemlich kläglicher Mann Anfang Dreißig, ein Einzelgänger, klein gewachsen, mit einem Bäuchlein und Froschaugen hinter dicken Brillengläsern, der mit der Begierde eines Sammlers in seinem
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